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Wir sind vom Grabe eines christlichen Demokraten zurückgekehrt. Wieder einmal. Was unser Land mit dem Sozialpolitiker Karl Kummer verloren hat, das sagt in eindringlichen Worten Staatssekretär a. D. Dr. Josef Taus (Seite 4). Uns beschäftigt in der Stunde des Abschieds ein anderer Gedanke. Er hat sich in den letzten Jahren schon mehr als einmal aufgedrängt. Sterben die christlichen Demokraten in der Volkspartei aus?

Gewiß: Christen gibt es viele in der Volkspartei und Demokraten hoffentlich auch. Aber als christliche Demokraten können wir nur jene ansprechen, denen das christlich-soziale Erbe auch Auftrag ist, die sich nicht häuslich in der Gegenwart einrichten, sondern die nach einer Reform der von einem „aufgeklärten Kapitalismus“ geprägten Strukturen unserer Gegenwart streben und die nicht müde werden, jenen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Marxismus zu suchen — auch wenn sie als „schwarze Kommunisten“ verketzert werden.

Diese Männer standen der Volkspartei 1945 Pate. Sie prägten ihr Profil. Ohne Zweifel hat sich seither die Achse der Partei verschoben. In ihrer Ideologie und Politik präsentiert sie sich immer stärker als rechtskonservative Partei, die christlichen Demokraten zwar noch Heimstatt gibt, die aber nicht sonderlich bemüht ist, aus dem Kräftepotential des sozialen Katholizismus ihre Kader anzureichern. Die Rekrutierungsbüros wurden gleichzeitig mit der wirtschaftlichen Saturierung an anderen Orten aufgeschlagen: Dort stellt sich nun der clevere Manager ein, Menschen, deren politische Wiege an ganz anderen Orten zu suchen ist, werden mit Blumenstrauß empfangen, und wer überhaupt nicht das Bedürfnis spürt, sich besonders zu profilieren, hat bestimmt die besten Chancen. Er muß nur die Parolen des Tages beherrschen. Sie rechtzeitig gegen die von morgen auszutauschen bereitet ihm gewiß keime Schwierigkeiten.

Als wir diese Gedanken vor nun schon längerer Zeit einem führenden Mann der Volkspartei vortrugen, verwies er nicht mit Unrecht auf sich und seine Freunde, die sich als christliche Demokraten und österreichische Patrioten in der Vergangenheit eindeutig ausgewiesen hatten. Das stimmt. Das beruhigt aber nur kurzfristig. Vielleicht gilt dies auch noch für 1970. Aber wer wird bereits 1974, wenn alle diese Menschen abgetreten sind, den Griff nach den Schalthebeln tun? Werden zu diesem Zeitpunkt die christlichen Demokraten in der Volkspartei „ausgestorben“, ihre Ideen endgültig ins geistige Austragstübchen verwiesen sein? Mit dem christlich-demokratischen Erbe läuft aber auch das Bekenntnis zur österreichischen Idee Gefahr, verdünnt zu werden. Die „Zurückhaltung“, die die Mandatare der Volkspartei anläßlich der Nationalfeiertagsdebatte an den Tag legten, war hier ein Alarmzeichen.

Und dies alles zu einer Zeit, in der der österreichische Sozialismus unter der Führung Dr. Kreiskys Übungen macht, sich zu einer „Unken“ Volkspartei zu öffnen und da und dort Positionen anzuvisieren, von denen 1945 die Volkspartei aufgebrochen ist. Wenn schon Grundsatzdiskussionen in der ÖVP heute nicht beliebt sind, so müßten allein auch wahltaktische Überlegungen dazu raten, die Wurzeln nicht aus jenem Erdreich zu ziehen, das dieser Partei allein über die Gunst oder Ungunst des Tages hinaus Kraft und Dauer verheißt. Die heute über das Absterben des linken Flügels in der Volkspartei frohlocken, werden in einigen Jahren schon dankbar dafür sein, wenn es einen gäbe.

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