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Von einem Volksvertreter aus dem Bauernstände

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geht uns folgende Stellungnahme zu: „Das Volk von Österreich steht neuerdings vor einer schicksalsschweren Entscheidung: der Wahl am 22. Februar 1953. Daß vor einer so schwerwiegenden Volksabstimmung die Wahlwürdigkeit der österreichischen Volkspartei einer besonders eingehenden Prüfung unterzogen wird und unter diesem scharfen Vergrößerungsglas die ihr tatsächlich anhaftenden oder scheinbaren Mängel stärker in Erscheinung treten, ist verständlich. Für die katholischen Blätter Österreichs als einflußreiche Gestalter der öffentlichen Meinung und als berufenste Wegbereiter einer christlichen Gesellschaftsordnung ist es sogar Pflicht, in dieser Richtung ein mahnendes Gewissen zu sein. In diesem Sinne ist auch die in der Nummer 47. der .Furche' unter dem Titel ,Der gelähmte Flügel' veröffentlichte kritische Beleuchtung der gegenwärtig in

Österreich führenden Partei zu verstehen. Da aber die in diesem Artikel gewünschte Reform der ÖVP bis zum 22. Februar nicht mehr erfolgen kann, ist es Pflicht ajler, die auf Grund ihres Mandats tiefer in das Innenleben der ÖVP hineinzusehen vermögen, der Kritik 'ihre Überzeugung gegenüberzustellen. Wenn das jetzt vön einem Menschen geschieht, der im Bewußtsein seiner Mitverantwortung für das Schicksal Österreichs selbst schon oft eine sehr scharfe Kritik an höchster Stelle geübt hat und der weder dem Wirtschaftsbund noch dem Arbeiter- und Angestelltenbund, sondern dem B au- ernbund angehört, dann können die Leser der .Furche' es glauben, daß diese Darlegungen keine Beschönigung des Sachverhalts und keine Irreführung sind.

Der Verfasser des .Furche'-Aufsatzes stellte in seiner kritischen Betrachtung

Test, daß in unserer österreichischen Volkspartei durch die in ihr vereinten Bünde eine besonders glückliche Balance der verschiedenen Wirtschaftsinteressen gegeben zu sein scheint, daß aber die Wirklichkeit das Ideal nicht erreicht: ,Der linke Flügel lahmt.' Diese von der Unzufriedenheit tausender junger Menschen und von ihrer idealbeschwingten Sehnsucht nach einer vollkommeneren politischen Partei und einer christlicheren Gesellschaftsordnung diktierten Darlegungen sind so wie die Demonstrationen der katholischen Jugend Österreichs beim Katholikentag ein herzerfreuender Beweis, .daß wir in Österreich noch das kostbare Gut einer starken Kerntruppe von idealgesinnten und von einer edlen Begeisterung und opferfreudigen Tatkraft angetriebenen jungen Österreichern und Österreicherinnen besitzen. Es wäre aber ein großes Verhängnis, in der Unzufriedenheit und Sehnsucht nach einer neuen idealeren Volkspartei Gewehr bei Fuß zu stehen und sich der Hoffnung hinzugeben, daß morgen oder übermorgen der erhoffte neue Anruf erfolgen wird und die organisatorischen Voraussetzungen für die Verwirklichung des sozialen Katholizismus geschaffen werden können. Denn wenn einmal durch die passive politische Haltung Tausender eine andere Partei in Österreich die Zügel erfaßt, dann ist die Möglichkeit des Aufbaues einer christlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung durch die Aktivisten christlicher Jugendbewegungen bereits endgültig verschüttet und auch diese Zellen der Erneuerung sind zerstört. In diesem entscheidenden Augenblick kann es für alle, die das christliche Kulturideal im Grunde bejahen und vor allem für die Katholiken Österreichs nur eine Parole geben: Die einzige vom Geiste des christlichen Solidarismus und der österreichischen Tradition getragene Partei in Österreich, die der Verfasser wie in einer Vision ,mit einem festen Zentrum und mit einem starken und lebendigen sozialen Flügel" als Zukunftsideal vor Augen sieht, durch die unverzügliche Eingliederung breitester Schichten der Arbeiter- und Angestelltenschaft ,zu einer unerschütterlichen Schlachtlinie und zu einer wahren Volkspartei' zu formen und die ÖVP dadurch als Bollwerk der Freiheit und Menschenwürde zu erhalten und für ihre schweren Zukunftsaufgaben zu stärken!

Wenn wir heute in Österreich ein vorbildliches modernes Landarbeiterrecht haben, dann ist dies der Initiative der Arbeiter- und Bauernvertreter der österreichischen Volkspartei zu danken. Es ist ferner ein Verdienst des AAB, daß in Österreich durch das hochmoderne Wohnungseigentumsgesetz ein neuer zielführender Weg zur Überwindung der Wohnungsnot angebahnt wurde. Und es ist wieder eine Frucht der gleichen Bemühungen, daß die Familie des Arbeiters und Angestellten durch die Kinderbeihilfe heute schon wenigstens vor der ärgsten Bedrängnis geschützt ist.

Alle diese Reformen sind ein Beweis dafür, daß in der ÖVP keineswegs der Geist eines liberalen und rücksichtslosen Wirtschaftsegoismus tonangebend ist. Sie zeigen vielmehr, daß die Führung der ÖVP gestern und heute sehr wohl um die sozialen Nöte der manuellen und geistigen Arbeiter weiß und daß sie mit allen Kräften bemüht ist, der Arbeiterund Angestelltenschaft aller Kategorien den gerechten Anteil am Sozialprodukt und eine ebenbürtige Stellung in Wirtschaft und Politik einzuräumen. Es darf dann auch nicht außer acht gelassen werden, daß der unentwegte Kampf der ÖVP gegen die Verstaatlichungs- und Vermassungstendenzen der SPÖ wieder ganz im Sinne der Katholikentagsparole .Freiheit und Menschenwürde" liegt und der Befreiung der Arbeiterschaft’aus dem Zugriff der staatlichen Monopolbetriebe dient. Wer aber gegen den Irrweg der Verstaatlichung der Wirtschaft und damit gegen die Vermassung der in den verstaatlichten Betrieben wirkenden Arbeiterschaft kämpft, der muß das Bemühen, bejahen, an die Stelle der staatlichen Monopolbetriebe kapitalkräftige Privatunternehmungen zu setzen, um den Arbeitern und Angestellten die Sicherheit ihrer wirtschaft-

liehen Existenz und sozialen Stellung zu gewährleisten. Den gewiß noch nicht ganz gebannten Gefahren eines aufflackernden ungerechten Gewinnstrebens wirkt in Zukunft der Konkurrenzkampf Und das bäuerliche Genossenschaftswesen entgegen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß es neben den Trägern eines noch nicht abgestorbenen kapitalistischen Geistes auch eine immer mehr sich vergrößernde Zahl von Unternehmern gibt, die in vorbildlicher Weise für alle Be dürfnisse ihrer Gefolgschaft sorgt und deren Beispiel Nachahmung findet.

So möge dieser wohlgemeinte Anruf ein kleiner Beitrag sein zur Aufklärung der Verwirrten und zur Mobilisierung der Unzufriedenen und Unentschlossenen in den Reihen der österreichischen Arbeiterschaft des Geistes und der Flände, damit sich in Österreich mit geeinterer Kraft das große Friedenswerk einer christlichen Gesellschaftsordnung entfalte. Nat.-Rat Franz

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