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Die Lage ist schwieriger als die Parteien zugeben wollen
Die niederländischen Wähler haben am 25. Mai ihre Stimmen für die 150 Abgeordneten der Zweiten Kammer unter ungewöhnlichen Umständen abgegeben. Mit 87,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung fast fünf Prozent über jener von 1972, zweifellos unter dem Eindruck der spektakulären Geiselnahmen in der Provinz Drenthe. Inwieweit die den Tiefstpunkt der Unmenschlichkeit darstellenden Terrorakte jugendlicher, in den Niederlanden geborener Ambonesen auf die Stimmabgabe verzerrend gewirkt haben, muß vorläufig noch mit Zurückhaltung beurteilt werden. Möglicherweise können die von den 13 niederländischen Universitäten und Hochschulen durchgeführten Untersuchungen zum Wahlverhalten objektive Klarheit verschaffen. Dies gilt insbesondere für die „swingometrischen“ Forschungen (Universität Leiden), die Untersuchungen der Komplexität des „politischen Vertrauens“ (Katholische Universität Nijmegen) und der „politischen Partizipation, Progressivität und Konservativismus“ (Universität Amsterdam), deren Ergebnisse zum Jahresende erwartet werden.
War es eine Wahl von Personen oder von Parteien und ihren Programmen? Jeder Antwort hierauf fehlen die letzten zwei Tage vor dem Wahltermin. Die von den drei großen Parteien geplanten Höhepunkte des Wahlkampfes wurden ein Opfer des Terrors. Auch die Umfrageinstitute hatten dadurch keine Möglichkeit, ihre ohnedies schon allzu pessimistischen oder überschwenglichen Prognosen zu korrigieren. Dennoch zweifelt niemand am persönlichen Erfolg der Spitzenkandidaten der drei größten Parteien. Der Sozialist Joop den Uyl hat für die „Partei der Arbeit“ (PvdA) 53 Sitze hereingeholt, der Christdemokrat Dries van Agt 49 Sitze, der Liberale Hans Wiegel 28 Sitze und auch Jan Terlouw, Spitzenkandidat der „Demokraten 66“ mag sich mit acht Sitzen noch zu den Gewinnern rechnen. Mit leichtem Stimmengewinn ist die dogmatisch-protestantische SGP mit ihren drei Sitzen im Parlament geblieben, während alle ande ren Parteien Verluste hinnehmen mußten. In der am 8. Juni zusammentretenden Zweiten Kammer werden elf Parteien (bisher 14) vertreten sein. Angesichts der Wirtschaftslage, die viel schlechter ist, als die Parteien im Wahlkampf zugegeben haben, muß mit sehr langwierigen Verhandlungen über eine Regierungskoalition ge rechnet werden. Ob die Sozialisten mit den Christdemokraten zusammen regieren werden, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher. Die Linksparteien - ohne Kommunisten - können nicht allein regieren. Ihren 65 Sitzen stehen 83 der nicht-linken Parteien gegenüber.
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