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Die Nationalliberalen

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Nachdem vor kurzem der Kongreß des liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ) den vom Fraktionsvorsitz einmal schon fortgejagten Juristen Peter Tölgyessy zum neuen Vorsitzenden gewählt hat, war die alte Gründungsgarde aus der Führung innerhalb weniger Stunden verschwunden.

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Nachdem vor kurzem der Kongreß des liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ) den vom Fraktionsvorsitz einmal schon fortgejagten Juristen Peter Tölgyessy zum neuen Vorsitzenden gewählt hat, war die alte Gründungsgarde aus der Führung innerhalb weniger Stunden verschwunden.

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Tölgyessy hat lange genug auf die Möglichkeit hingearbeitet, einen radikalen Wandel durchzusetzen. Nach seiner Ablösung ging der brillante Parlamentsredner mit seinem jovialen - für viele gefährlichen - Lächeln aufs Land, um. „an der Basis zu forschen". Indes machte die aus verhinderten Berufsphilosophen, Politologen und Sozialwissenschaftlern bestehende Führung ihr Spiel; das aus dem einstigen harten Kern der Systemkritiker kommende Team gab sich viel zu deutlich damit zufrieden, daß der „Bund" als stärkste Oppositionspartei seine Position den Schichten städtischer Intellektuellen zu verdanken hatte. Inmitten krampfhafter Anstrengungen, den Begriff Liberalismus immer wieder neu auszulegen, stellte man freilich auch hin und wieder fest, daß im Lande „ein Rechtsruck" im Denken und Regieren vonstatten gehe.

Dem wußte aber der Braintrust der Partei lediglich das vielsagende Rezept „der Entmythologisierung des Nationalismus" entgegenzuhalten und war auch noch stolz darauf, sich von der Gegenseite die Marke „heimatlose Gesellen" eingehandelt zu haben. Die Abwanderung der Mitglieder -mittlerweile ist mehr als die Hälfte davongelaufen - begann, als die Führung sich mit der Begründung

„Wir sind doch eine demokratische Partei!" weigerte, jene liberalen Stadträte zu disziplinieren, die nach den Kommunalwahlen im August 1990 die Wähler mit Amtsmißbräuchen schockierten, die sich nicht einmal die Kommunisten geleistet hatten.

Als dann aber Mitglieder des Brain-trusts auch noch öffentlich mit der Möglichkeit einer Koalition mit den Sozialisten zu kokettieren begannen, war das Maß voll. Die Parteizentrale erhielt tonnenweise Briefe von Mit-gl iedern, deren Ton öfter auch den der politischen Gegner übertraf.

Nun ist Tölgyessy an der Reihe; „die akademische Schwatzbude mit ihrem Universitätschinesisch aus den siebziger Jahren" hat er bereits ausgeschaltet; mit seinen „an der Basis gesammelten Erfahrungen" will er „eine richtige Volkspartei" schaffen, in deren Wertskala auch die nationalen Akzente gebührend vertreten sind.

Genau das befürchtet die stärkste Regierungspartei, Jözsef Antalls Forum Ungarischer Demokraten. Ihm ist allerdings schon die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit, nach deutschem Muster etwa, angeboten worden.

Ein neues, für jeden verständliches Parteiprogramm soll eine Öffnung den Interessen der Arbeitnehmer gegenüber festlegen und eine klare Sozialpolitik formulieren. Es gilt die Absage sowohl an die Sozialisten als auch an die Nationalen, aber auch an eine kritiklose Amerika-Anbetung.

Auf die neuen Akzente sind schon die kleinsten Koalitionspartner, die Christdemokraten, aufmerksam geworden; zusammen mit den oppositionellen Jungradikalen haben sie bereits die Erneuerung des Bundes begrüßt. Sicherlich nicht ohne die Hoffnung auf eine künftige Koalitionspartnerschaft.

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