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Gold für Weizen

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Nach sechsjähriger Hortung hat Moskau im Jahre 1972 wieder mit dem Goldverkauf im Westen begonnen. Getreidemißernten in den Jahren 1963, 1965 und 1972 zwangen den Kreml, mit dem „kapitalistischen" Ausland Ankaufsverträge im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Dollar abzuschließen, zu deren Abwicklung die notwendigen harten Währungen jedoch nicht zur Verfügung standen. Die Zahlungsbilanz konnte nur dadurch ausbalanciert werden, daß entsprechende Mengen von Gold, Platin, Palladium, Nickel und Diamanten, eventuell auch von Silber, auf westlichen Märkten abgesetzt werden. Die Getreidelieferungen erfolgen im Laufe von drei Jahren, infolgedessen hat Moskau Zeit genug, die Edelmetall- und Diamantengeschäfte in aller Ruhe vorzubereiten und durchzuführen. Exporte mit „empfindlichen Metallen" figurieren nirgends in den Sowjetstatistiken, darüber wird nicht einmal in hohen Sowjetgremien diskutiert.

Mit Hilfe „geheimer Handelsoperationen" hat Moskau durch eine Londoner Handelsbank in der letzten Zeit jährlich Diamanten im Wert von ungefähr 200 Millionen Dollar verkauft. Im Jahre 1971 soll Großbritannien allein sowjetische Diamanten im Wert von 85,9 Millionen Pfund erworben haben.

Die russischen Diamantenverkäufe auf den Märkten von New York, Amsterdam und Frankfurt/Main sind noch mehr in Nebel gehüllt, aber es besteht kein Zweifel daran, daß die Verkäufe in der letzten Zeit gesteigert wurden. Von der amerikanischen Botschaft in Moskau weiß man, daß die Sowjetausfuhren nach den Vereinigten Staaten 1972 „hauptsächlich aus Edelmetallen und Diamanten bestanden", was bestimmt kein Pappenstiel war, wenn man bedenkt, daß der Globalwert der sowjetischen Exporte in dieser Richtung 80 Millionen Dollar ausmachte.

In der Bundesrepublik Deutschland forciert die UdSSR seit Oktober 1972 Diamantenverkäufe in Frankfurt. Bisher war es vollkommen unmöglich, darüber genauere Zahlen in Erfahrung zu bringen.

Auch in Amsterdam ist es nicht leicht, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Feststeht, daß im Jahre 1970 große Mengen von Sowjetdiamanten in Amsterdam abgesetzt werden konnten. Die Schätzungen gehen jedoch weit auseinander: Holländische Fachleute sprachen von 63 Millionen Dollar, eine gute Sowjetquelle hingegen von 181 Millionen. Eine andere Sowjetquelle schätzt den Wert der nach Amsterdam verkauften Diamanten auf 120 Millionen Dollar im Jahre 1970.

Laut dem amerikanischen „Bureau of Mines" produziert die UdSSR jährlich 220 Tonnen Gold, laut „The Wall Street Journal" viel mehr, nämlich bis zu 7 Millionen Unzen (1 Unze = 28,35 Gramm). Jedenfalls wird der Wert der jährlichen sowjetischen Goldproduktion auf ungefähr 500 Millionen Dollar geschätzt. In früheren Jahren glaubten die Experten, daß die Sowjetunion eine Goldreserve aus Eigenproduktion in der Höhe von 10.000 bis 15.000 Tonnen gehortet habe. Der Preis der im Vorjahr verkauften 250 Tonnen variierte zwischen 55 und 67 Dollar je Unze. So muß Moskau also ungefähr 550 Millionen Dollar aus Goldverkäufen eingenommen haben.

Die Verkäufe des Jahres 1972 stellten allerdings keinen Rekord dar. Moskau hat 1964 rund 401 Tonnen und 1965 sogar 488 Tonnen Gold auf freien Märkten verkauft. 1973 und 1974 sollen wieder größere Mengen angeboten werden. Da die Goldreserven zwischen 1966 und 1971 um 880 Tonnen gestiegen sind, kann dabei niemand von empfindlichen oder gar von gefährlichen Goldverlusten Moskaus sprechen.

Platinexporte gewinnen daneben zusehends an Bedeutung, weil dieses Edelmetall eine wachsende Rolle bei der Reduzierung der tödlichen Gefahr der Autoabgase spielt. In London rechnet man deshalb damit, daß die Russen von nun an jährlich mindestens 500.000 Unzen im Westen absetzen könnten. Bereits 1971 haben sie 400.000 Unzen verkauft. Die sowjetische Platinproduktion beläuft sich auf jährlich ungefähr 2,000.000 Unzen. Eine Unze von Platin kostet 120 Dollar. Die Russen sollen planen, jährlich 60 Millionen Dollar aus Platinexporten zu gewinnen.

Palladium gehört zur Platin-Metallgruppe. In sowjetischen Statistiken und Wirtschaftsberichten wird man dieses Metall vergeblich suchen. Es ist aber bekannt, daß die amerikanischen Chrysler-Werke 1973 rund 100.000 Unzen russisches Palladium importieren werden. Andere größere sowjetische Palladiumausfuhren nach westlichen Ländern konnten bisher noch nicht registriert werden. Die westlichen Autofabriken bevorzugen Platin.

Die sowjetischen Silberexporte nach dem Westen liegen vollkommen im dunkeln. Interessant ist, daß drei Wissenschaftler in Amsterdam „osteuropäisches Silber" gründlich analysiert haben, wobei sie feststellten, daß es radioaktiv war, weil das Metall offenbar mittels einer unterirdischen Nuklearexplosion zutage gefördert worden war. Die UdSSR ist das einzige osteuropäische Land, in welchem unterirdische Nuklearexplosionen durchgeführt werden.

Es ist seltsam genug, daß die Russen sogar über den Export eines zweitrangigen Metalls wie Nickel keine Daten veröffentlichen. Man tappt diesbezüglich im dunkeln, weil nur wenige Informationen aus dem Westen erhältlich sind. So weiß man, daß „Occidental Petroleum" heuer Nickel im Wert von 25 Millionen Dollar aus der UdSSR importieren wird.

Moskau kann jedenfalls aus seinen Diamanten-, Gold-, Platin-, Palladium- und Nickelexporten im laufenden Jahr mindestens 840 Millionen Dollar kassieren. Besonders günstig ist die Situation beim Platin, da der Wert der Produktion wesentlich höher ist als der Wert der Exporte und des Inlandsverbrauchs. Bei Diamanten kann von einem Inlandsmarkt überhaupt keine Rede sein, die Produktion erhöht nur die Lagerbestände, infolgedessen können größere Ausfuhren leicht durchgeführt werden. Auch die Goldreserven vermindern sich nur langsam.

Moskau könnte also noch eine weitere schlechte Ernte, ja sogar deren mehrere verkraften, wobei nicht verschwiegen werden sollte, daß die positive Handelsbilanz des Jahres 1972 nicht durch Diamanten- und Edelmetallverkäufe, sondern durch die Steigerung der Rohöl- und Erdgasausfuhren erreicht werden konnte.

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