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Koalition, Kooperation - Konfrontation

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Anläßlich der Energiekrise hat Österreichs Demokratie funktioniert: Die Regierung hatte keine Schwierigkeit, für notwendige Vollmachten auch die Stimmen der Opposition zu bekommen. Es wurde von dieser nicht der Versuch unternommen, aus der Krise politisches Kapital zu schlagen.

Ähnlich loyal verhielt sich die Opposition auch in anderen europäischen Staaten. Seihst ein so beinharter Gegner wie Franz Josef Strauss versicherte seiner Regierung, sie könne bei allen notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise auf die Stimmen der Opposition zählen.

Daß diese Fairneß keineswegs so selbstverständlich ist wie es jedem aufrechten Demokraten scheinen mag, zeigt ein Blick auf jene Staaten, die als Stammländer der Demokratie gelten und bisher von den Kontinentaleuropäem immer als exemplarisch angesehen wurden. So wird beispielsweise in Großbritannien gegenwärtig die Energiekrise von der Opposition und den ihr eng verbundenen Gewerkschaften absichtlich zur Staatskrise aufgeblasen, indem auch die Versorgung mit inländischer Kohle als Ersatzenergieträger unterbunden wird. Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit werden in der Absicht, die Regierung zu stürzen, in Kauf genommen.

Ein ähnlich tristes Schauspiel bieten die USA. Auch dort konnte die Nahostkrise, welche die Welt beinahe in einen dritten Weltkrieg gestürzt hätte, die Opposition nicht von ihren Bemühungen abbringen, um jeden Preis, auch um den des internationalen Ansehens und der außenpolitischen Manövrierfähigkeit der Vereinigten Staaten, auf den Sturz des Präsidenten hinzuarbeiten.

Wird aber die demokratische Fairneß im österreichischen Parlament auch weiteren Belastungen standhalten? Die eigentlichen Schwierigkeiten kommen erst, es werden unpopuläre Maßnahmen beschlossen werden müssen, bei denen die Regierung nur zu gern die Verantwortung mit der Opposition teilen würde, ja bei denen es sich teilweise auch um Verfassungsfoestimmungen handeln mag, für welche die Regierung die Stimme der Opposition unbedingt braucht.

In einer solchen Situation wird der Ruf nach einer Koalitions-, wenn nicht gar Konzentrationsregierung laut — verständlich, fordern doch prekäre Aufgaben ein hohes Maß gemeinsamen Handelns und Verantwortens. Allerdings zeigen sich weder Regierung noch Opposition an einem solchen Arrangement besonders interessiert.

Seitens der Opposition ist ein solches Zögern begreiflich: Müßte sie doch, sobald sie an der Regierungsverantwortung partizipiert, nicht nur die unpopulären Maßnahmen im Gefolge der Energiekrise, sondern auch die negativen Konsequenzen aus einer verfehlten Regierungspolitik der letzten Jahre mitverantworten.

Die Zurückhaltung der Regierungspartei entspringt allerdings bedenklichen Motiven. Zwar verlangt sie von der Opposition ein Maximum an Entgegenkommen bei allen auftauchenden Schwierigkeiten, möchte sich aber durch keinen Koalitionspakt die Aktionsfreiheit für ihren derzeitigen Kollisionskurs beschneiden lassen, um auch weiterhin ihre hauchdünne Majorität zur Realisierung jener Gesetzesmaterien nützen zu können, gegen die seitens der Opposition — zumindest in der von der Regierung propagierten Form — prinzipielle Bedenken bestehen. Aber auch ohne Koalition, die im aktuellen Zeitpunkt wahrscheinlich tatsächlich nicht spruchreif ist, ist in Krisenzeiten eine gewisse Kooperation notwendig. Diese kann aber keine Einbahnstraße sein, kann sich nicht nur auf ein Entgegenkommen der Opposition beschränken, sondern fordert auch Konzessionen der Regierung.

Darunter ist aber vor allem der Verzicht auf ein brutales Ausnützen der Majorität zum Beschluß kontro-versieller Gesetzesmaterien zu verstehen. Dieser Verzicht sollte der Regierung um so leichter fallen, als sie es beileibe mit keiner sturen Opposition zu tun hat. Daß vor kurzem das Arbeitsverfassungsgesetz einstimmig beschlossen werden konnte, zeigt deutlich deren Kompromißbereitschaft.

Was sich aber in der Abtreibungsfrage im Rahmen der Strafrechtsreform abgespielt hat, geht über das hinaus, was die Regierung der Opposition loyalerweise zumuten darf. Eine ähnlich kompromißlose Haltung der Regierung zeichnet sich auch beim Bodenrecht, der Mietenreform, der Frage des Ombudsmannes sowie der Rundfunkreform ab.

Keinem einzigen der von der Regierungspartei gegen den Widerstand der Opposition forcierten Gesetze kommt Dringlichkeit zu, für keines besteht eine Staats- oder sozialpolitische Notwendigkeit.

Eine loyale Opposition setzt auch eine loyale Regierung voraus. In schwierigen Zeiten, in denen die Regierung mehr denn je auf den guten Willen der Opposition angewiesen ist, kann sie nicht auf der einen Seite deren Mitverantwortung fordern, um sie auf der anderen mit parteipolitischen Anliegen kurzerhand zu „überfahren“.

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