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Komplizierte Fairneß
Der Prozeß gegen Angela Davis, der wegen Mord und Fluchthilfe angeklagten militanten farbigen Philosophiedozentin hat begonnen. Dem eigentlichen Prozeß waren umfangreiche Vorentscheidungen vorausgegangen.
Der Prozeß gegen Angela Davis, der wegen Mord und Fluchthilfe angeklagten militanten farbigen Philosophiedozentin hat begonnen. Dem eigentlichen Prozeß waren umfangreiche Vorentscheidungen vorausgegangen.
Zuerst benötigte man für die Auswahl der Geschworenen, für die man ursprünglich mehr als sechs Wochen veranschlagt hatte, knappe zehn Tage. Für diese Überraschung sorgte Angela Davis selbst, als sie sich im Verhandlungssaal erhob und ankündigte, sie werde von ihrem Recht keinen Gebrauch machen, Geschworene, bei denen sie mangelnde Objektivität vermute, ohne nähere Begründung abzulehnen. Sie sprach als ihr eigener Verteidiger. In ihrer anderen Rolle, als Angeklagte, braucht sie während des ganzen Verfahrens kein einziges Mal den Mund aufzutun, wenn sie nicht will.
Ihre Entscheidung, auf die Beanstandung von Geschworenen zu verzichten, motivierte sie mit der überraschenden Erklärung, sie glaube, daß die Männer und Frauen auf der Geschworenenbank ihr Bestes tun werden, um ihr einen fairen Prozeß zu machen. Dies ist deshalb um so überraschender, weil sie bisher immer wieder verlauten ließ, sie fühle sich nicht schuldig, wie immer das Verfahren ausgehen werde, und sie könne in den Vereinigten Staaten überhaupt nicht mit einem fairen Verfahren rechnen.
Noch etwas ist überraschend: die acht Frauen und vier Männer, die im Prozeß als Geschworene fungieren werden, sind alles Weiße. Miß Davis erklärte dazu, daß die Geschworenenbank die Bevölkerungsstruktur des Verhandlungsortes richtig widerspiegle, da der Anteil der schwarzen Bevölkerung dort weniger als zwei Prozent beträgt.
Gegen Kaution enthaftet
Im bisherigen Verlauf des Verfahrens konnte Angela Davis in reichem Maße von den Rechten Gebrauch machen , die von der amerikanischen Justiz Angeklagten eingeräumt werden. Nach ihrer Verhaftung in New York konnte sie sich sowohl vor einem New Yorker als auch einem
Bundesgericht gegen die Auslieferung nach Kalifornien wehren. Erst als beide Gerichte gegen sie entschieden, wurde sie an die Behörden von Kalifornien ausgeliefert. Im kalifornischen Gefängnis standen ihr zwei Räume zur Verfügung, und sie konnte jederzeit nicht nur Verwandte empfangen, sondern sogar mit Vertretern ausländischer Zeitungen sprechen. Sie bestritt, daß sie in Marin County, dem Ort jener Verbrechen, deren sie bezichtigt wird, einen fairen Prozeß erwarten könne. Ihr Argument wurde akzeptiert, und die Verhandlung an das Gericht in Santa Clara County abgetreten. Unter Hinweis auf ihre verfassungsmäßigen Rechte lehnte sie mehrere Richter ab, welche die Verhandlung leiten sollten. Sie konnte ihre Anwälte frei wählen und nahm an der Auswahl der Geschworenen aktiv
Anteil. Und als kürzlich der Oberste Gerichtshof Kaliforniens die Todesstrafe als verfassungswidrig aufhob, wurde sie sofort gegen Kaution freigelassen, da die Verbrechen, deren sie beschuldigt wird, nicht mehr mit dem Tod bestraft werden.
All dies könnte vielleicht Angela Davis veranlaßt haben, die amerikanische Justiz nun doch in einem etwas günstigeren Licht zu sehen, als sie es bisher tat. Vielleicht auch hatte sie Gelegenheit, jüngst veröffentlichte Statistiken über Prozesse gegen radikale Neger in den Vereinigten Staaten zu lesen. Diesen Statistiken zufolge wurden von 105 Schwarzen Panthern oder deren Gesinnungsgenossen, die man wegen verschiedener Delikte vor Gericht gestellt hatte, bloß 23 verurteilt. Diese Tatsachen sprechen für sich selbst.
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