6748544-1967_18_01.jpg
Digital In Arbeit

Vorwort zu einem Prozeb

Werbung
Werbung
Werbung

Der 8. Mai 1967 sollte in den Kajendern aller Österreicher, denen die Zukunft unserer Demokaitie nicht gleichgültig ist, rot angestrichen sein. An diesem Tag beginnt in Linz der Prozeß gegen Norbert Burger und Co., gegen die „Aktivisten“, die im Herbst 1965 in Graz einer Verurteilung entgangen waren. Diese „Aktivisten“, deren Aktivität in der Vorbereitung und Durchführung von Terroranschlägen in Südtirol bestand, stehen nun wieder vor den Schranken eines Gerichtes, eines Gerichtes, das dem Recht, der Demokratie und Österreich verpflichtet ist.

In Graz, vor eineinhalb Jahren,waren es die Laienrichter, die jede Schuld der Angeklagten verneint hatten. Die Berufsrichter hingegen hatten einhellig eine andere Auffassung vertreten, das Urteil würde wegen „offensichtlichen Irrtums“ ausgesetzt. Die quasinaturrechtliche Auffassung der Laienrichter von dem, was Recht ist, stand gegen die juristische der Berufsrichter; es stand die Meinung, die fälschliche Berufung auf Andreas Hof er und Erzherzog Johann aHein genüge schon, jede Schuld auszuschließen, gegen die Nüchternheit, Trockenheit, Leidenschaftslosigkeit „formalen“ rechtlichen Denkens; es stand die Vermengung rechtlicher und politischer Argumente, das Spiel mit Namen ä la Grivas und anderen Guerilla-Kämpfern, gegen den Wortlaut des Gesetzes; es standen die privaten Wertungen, Ressentiments, Empfindlichkeiten der acht Leute „aus dem Volk“ gegen den Willen des Gesetzgebers. Und damit stand das „natürliche Rechtsempfinden“ gegen den Rechtsstaat.

Diese Konfrontation der Prinzipien unserer Rechtsordnung mit außerrechtlichen Vorstellungen wird sich in Linz wiederholen. Es ist der legitime Anspruch der Verteidigung, diese Konfrontation zugunsten der Angeklagten auszunützen. Es wird aber an den Richtern liegen, ob der Apell an Emotionen und Irrationaliismus erfolgreich sein wird, ob die Richter ein Vorurteil oder ein Urteil fällen werden.

Die Richter, denen diese entscheidende Befugnis zukommt, sind vor allem und in erster Linie wieder acht Männer und Frauen, die durch das Los bestimmt wurden, über Schuld und Strafe der Angeklagten zu entscheiden. Werden die Linzer Geschworenen über die Schatten springen können, mit denen die österreichischen Geschworenengerichte durch die verschiedenen, Ärgernis erregenden Urteile der letzten Jahre behaftet erscheinen? Die Laienrichter werden ihrer ve-antwortungsvollen Funktion als Richter gerecht, wenn sie unbeeinflußt von allen Einflüsterungen das Recht, und nur das Recht ihrem Urteil zugrunde legen. Dann, und nur dann werden die Anliegen des Rechtsstaates gewahrt bleiben.

Weshalb man befürchten muß, daß die Laienrichter weniger nach den Worten des Rechtes urteilen, das ihnen als Gesetz entgegentritt, sondern mehr nach Stimmungen, persönlichen Wertvorstellungen und vermeintlichen politischen Notwendigkeiten, ist in der politischen Atmosphäre begründet, die den Linzer Prozeß ebenso umgibt wie den Grazer und ähnliche Prozesse. Wenn den Laienrichtern von der Verteidigung mit Erfolg klargemacht werden kann, trotz gegenteiliger Beteuerungen hätten sich die demokratisch bestellten Organe Österreichs und Südtirols in Wahrheit nicht von den „Aktivisten“ distanziert, wenn mit Erfolg behauptet werden kann, die österreichischen Behörden hätten nur widerwillig, nur um dem Drängen Italiens nachzugeben, dieses Verfahren überhaupt erst eingeleitet, so ist die Verwirrung perfekt, die unheilvolle Amalgamierung von politischen und rechtlichen Argumenten gegeben. Wenn ein ÖVP-Landtagspräsident und ein SFÖ-Landtagsabgeordneter als Verteidiger sich dieser Technik der Amalgamierung bedienen — wie das in Graz der Fall wair —i, wie sollte dann den acht Geschworenen dlie entschiedene Ablehnung des Terroris-muis durch die politischen Behörden glaubtbaft erscheinen!

Es ist nicht Österreich, das im Mittelpunkt der politischen Vorstellungen der Angeklagten von Linz steht. Die verschiedenen Publikationen Burgers sprechen hier eine zu deutliche Sprache. Die Angeklagten von Linz sind die „Sturmvögel eines neuen, radikalen deutschen Nationalismus“, wie sie Kurt Skalnik an diesier Stelle in seinem „Nachwort zu einem Prozeß“ genannt hat. Es ist deshalb ein besonders schlechter Dienst, den man Südtirol und Österreich erweist, wenn man zuläßt, daß diesen Vertretern eines vorgestrigen Extremismus vor Gericht die unverdiente Gloriole patriotischer Kämpfer verliehen wird. Den Interessen der Südtiroler Bevölkerung und den Interessen Österreichs ist nur gedient, wenn falsches Pathos, unernste Märtyrergesten und nebu-lose Romantik beiseite geschoben werden und die nackten Tatsachen an einem einzigen Maßstab gemessen werden: an dem Maßstab, den das Gesetz uns liefert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung