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Vergewaltigt wird die Ehe

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„Neue“ Strafen für Notzucht fordern sozialistische Rechtsreformer (FURCHE 34/1987). Ganz im Gegensatz zu ihrer bisherigen Justizpolitik. Warum eigentlich?

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„Neue“ Strafen für Notzucht fordern sozialistische Rechtsreformer (FURCHE 34/1987). Ganz im Gegensatz zu ihrer bisherigen Justizpolitik. Warum eigentlich?

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Die Forderung nach strengeren Strafbestimmungen für Vergewaltigung in der Ehe hat Österreichs Justizpolitik um eine groteske Facette bereichert. Grotesk deshalb, weil man von ihren Urhebern üblicherweise ständige - und oft durchaus berechtigte -Warnungen vor einem allzu starken Einsatz des Strafrechts gewohnt war.

Dies gilt vor allem für den SPÖ-Justizsprecher Sepp Rieder, der in seiner Kritik am FURCHE-Ge-setzesentwurf zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen noch gemeint hatte, daß „das Strafrecht nicht das geeignete Mittel zur Durchsetzung von Moralvorstellungen oder Geboten der Ethik“ sei und daher „nur dort am Platz ist, wo es um den Schutz vor sozialschädlichem Verhalten geht“. Rieders damaliges Credo: „Fragen des höchstpersönlichen Lebensbereiches des einzelnen Menschen sind nicht geeignet, zum Gegenstand von Strafbestimmungen gemacht zu werden“ (FURCHE 19/1985).

Dies war auch ganz im Sinne des früheren Justizministers Christian Broda, der bei jeder Gelegenheit die „Zurücknahme des Strafrechts aus der Persönlichkeitssphäre“ gefordert hatte (zuletzt etwa in dem Buch „Rechtspolitik-Rechtsreform“).

Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal rundete die Groteske ab, als sie in diesem Zusammenhang von der „bewußtseinsbildenden Kraft des Strafrechts“ sprach. Sie hat damit genau eines jener Argumente aufgegriffen, das sie seinerzeit vehement bekämpfen zu müssen glaubte, als es die Gegner der Fristenregelung verwendeten.

Wohlmeinende nennen eine derartige Wandlungsfähigkeit „Dialektik“.

Sachlich betrachtet erweckt die Forderung nach einem eigenen Straftatbestand für die Vergewaltigung in der Ehe jedenfalls den Eindruck, daß man auf sozialistischer Seite das Augenmaß in der Justizpolitik verloren hat.

Als Strafrechtler wird man im Sinne vernünftiger Kriminalpolitik davon ausgehen, daß der Einsatz des Strafrechts als „ultima ratio“ so erfolgt, daß die Strafbestimmungen auch effizient sind. Auch das ist, nebenbei bemerkt, bei Broda mehrfach nachzulesen.

Tatsache ist, daß die Vergewaltigung des Ehepartners nach derzeitigem Recht als „Nötigung“ — und damit als Delikt gegen die Freiheit — mit Freiheitsstrafe bis zu einem, in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren bedroht ist.

Der entscheidende Unterschied zur Vergewaltigung oder Nötigung zum außerehelichen Beischlaf, wofür im Regelfall eine Freiheitsstrafe bis zu zehn beziehungsweise fünf Jahren vorgesehen ist, liegt darin, daß in diesen Fällen ein weiteres Rechtsgut beeinträchtigt wird, nämlich jenes der sexuellen Selbstbestimmung.

In aufrechter Ehe, die ja auch eine Sexualgemeinschaft darstellt, fällt dieser Aspekt und seine Schutzwürdigkeit im Prinzip weg. Es geht bei Ehepartnern nicht um das „ob überhaupt“, sondern um das „wann und wie“, also um genau jene Verletzung persönlicher Freiheit, die durch den Nötigungstatbestand ohnehin ausreichend abgesichert ist.

Somit sprechen alle Aspekte rationaler Kriminalpolitik gegen einen neuen Tatbestand für die Vergewaltigung in der Ehe. Und auch Dohnal will offenbar im Ergebnis dafür keine strengere Bestrafung, als dies derzeit ohnehin möglich ist.

Dohnais Argumentation ist daher rational — wenn überhaupt — nur zu verstehen, wenn es ihr darum geht, der Ehe im Sinne einer „Gleichstellung verheirateter und un- oder nicht-mehr-verheirate-ter Frauen“ ihren Charakter als Sexualgemeinschaft zu nehmen.

Mit einer solchen Absicht müßte Dohnal aber beim geltenden Eherecht ansetzen.

Der Autor ist Assistent am Institut für Strafrecht an der Universität Wien.

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