Symbolpolitik, was sonst?

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Österreichische Innenpolitik im Windschatten der radikalen Wende in den Vereinigten Staaten. Besonnenheit statt Empörung wäre gerade in diesen Zeiten vonnöten.

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Österreichische Innenpolitik im Windschatten der radikalen Wende in den Vereinigten Staaten. Besonnenheit statt Empörung wäre gerade in diesen Zeiten vonnöten.

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Man hätte der ÖVP unter ihrem angezählten Parteichef Reinhold Mitterlehner soviel Standfestigkeit gar nicht zugetraut. Vermochte die Partei doch schon dem wahrlich nicht formatsprengenden SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann kaum etwas entgegenzusetzen. Wie sollte sie da neben dem Faymann intellektuell, rhetorisch und performancemäßig deutlich überlegenen Christian Kern punkten und sich profilieren können? Aber siehe da, das eben im Gefolge von Kerns perfekt inszeniertem "Plan A" mühsam neuverhandelte Regierungsprogramm lässt doch einigermaßen deutlich schwarze Spuren erkennen. Nicht zuletzt in jenem Bereich, der ohne Zweifel und zu Recht die Menschen mit Abstand am meisten bewegt: jenem der Sicherheit respektive der Massenmigration und ihrer Folgen. Das, was hier beschlossen wurde -Vollverschleierungsverbot, partielles Kopftuchverbot, Fußfessel für Gefährder etc. - wird von den Gegnern dieser Maßnahmen gerne mit dem Begriff "Symbolpolitik" bezeichnet und solcherart zu diskreditieren versucht.

Totschlagvokabel "Populismus"

Diese Kritik übersieht freilich, dass es in der Politik stets in hohem Maße um Symbolisches geht. Was letztlich seinen Grund darin hat, dass menschliches Zusammenleben nicht nur auf rationaler Basis funktioniert: Stimmungslagen, Empfindungen, "Gefühltes", Atmosphärisches sind wesentliche Faktoren, an denen auch die Politik nicht vorbeikommt. Mit dem Totschlagvokabel "Populismus" lassen sie sich nicht bekämpfen. Zudem ist die Kritik einseitig -als Symbolpolitik gilt nur jene des politischen Gegners. Tatsächlich aber ist linke Kulturund Gesellschaftspolitik nicht minder Symbolpolitik als rechte Sicherheits- und Migrationspolitik. Es geht um die Deutungshoheit - wenn man so will, um die Imprägnierung des öffentlichen Raumes.

Diese innenpolitischen Debatten und jene anderer Länder finden derzeit alle gewissermaßen im Windschatten der Wende in den Vereinigten Staaten statt. Bewusst oder unbewusst entsteht der Eindruck, in den USA finde im großen, groben Maßstab statt, was auch Europa bzw. etlichen seiner Länder bevorstehe. Frei nach Hebbel: nicht in Österreich hielte demnach die große Welt ihre Probe ab, sondern in den USA die kleine.

Besonnene Stimmen empfehlen unterdessen die bereitgestellten Arsenale an Empörungsgeschützen wieder zu verräumen. "Hysterie ist keine Politik" schreibt etwa NZZ-Chefredakteur Eric Gujer und verweist auf zweierlei Maß, mit dem in der Beurteilung Trumps und seines Vorgängers aber auch diverser europäischer Politiker gemessen werde. Noch "unkorrekter" fragt die gewiss nicht reaktionärer Umtriebe verdächtige Zeit: "Was, wenn er (Trump; Anm.) doch Erfolg hat?" Und sie konstatiert, nicht nur Trump, sondern "auch alle, die ihm etwas entgegensetzen wollen", hätten "eine steile Lernkurve vor sich".

Botschaften, Signale

Natürlich betreibt auch Trump "Symbolpolitik" in hohem Maße: Er sendet ganz bestimmte Botschaften, Signale aus, von denen er annimmt, dass sie mehrheitsfähig sind. Man muss freilich sagen, dass er aus diesen seinen Absichten kein Hehl gemacht hat. Vielmehr hat er in ganz untypischer Manier bereits im Wahlkampf angekündigt, was er nun sich umzusetzen anschickt. Und er kann für sich in Anspruch nehmen, genau deswegen gewählt worden zu sein.

Völlig zurecht wird er in vielem kritisiert, auch von Parteifreunden dies-und jenseits des Atlantiks. Manches wird ja dann vielleicht auch doch ein wenig anders kommen, als Trump sich das vorstellt. Aber der Richtungswechsel ist unübersehbar - und er wird auch in Europa verstärkt kommen. Die Frage ist, in welcher Weise. In diesem Zusammenhang ist es kein gutes Zeichen, dass der konservative Präsidentschaftskandidat im europäischen Schlüsselland Frankreich möglicherweise selbstverschuldet aus dem Rennen scheidet.

rudolf.mitloehner@furche.at

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