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DER SCHMIEDL UND DIE SCHMIEDE

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Vor Beginn der Verwaltungsausschußsitzung eines Sozialversicherungsinstitutes in Wien wurde dieser Tage auch darüber gesprochen, ob es den Vertretern von Religionsgemeinschaften gestattet sein soll, Heilanstalten auch dann zu betreten, wenn der Priester vom Patienten nicht ausdrücklich gerufen worden ist. Hierzu äußerte sich unter anderem auch ein Vorstandsmitglied des Institutes, der zugleich Gewerkschaftssekretär ist und der Sozialistischen Partei angehört, wie folgt:

„Wenn das Betreten den Vertretern der Religionsgemeinschaft gestattet werden soll, so müßte man dies auch den sozialistischen Parteisekretären erlauben, weil es sich hei der Sozialistischen Partei ja um eine Art Religionsgemeinschaft handelt."

Gewiß, das war keine zuständige und offizielle Aeußerung der Partei, sondern offensichtlich eine persönliche Meinungsäußerung. Dennoch zeigt sie, welche nebulösen Vorstellungen darüber heute noch in Parteigängerkreisen herrschen. Die offiziellen Aeußerungen sind glücklicherweise präziser. Sie seien dem gedankenlosen Sprecher — einem für viele — entgegengehalten.-

Auf dem Parteitag der österreichischen Sozialisten im November 1956 griff Dr. Bruno Pittermann folgenden Satz aus dem sozialen Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe auf:

„Der gemäßigte Sozialismus von heute strebt eine sozialere Gesellschaftsordnung an. Das ist gut. Doch sprechen seine ersten Vertreter immer noch von einer sozialistischen Weltanschauung im Gegensatz , ,|ur christlichen und .katholischen Welt- anschauung/

Dr. Pittermann erklärte dazu:

„Was den Vorwurf betrifft, daß der demokratische Sozialismus sich als Weltanschauung ausgebe, kann es sich nur um ein Mißverständnis handeln. Die Sozialistische Partei Oesterreichs ist eine politische Kampfgemeinschaft, welche die soziale Lage der arbeitenden Menschen im weitesten Sinne des Wortes durch friedliche Umformung der bestehenden. Gesellschaftsordnung verbessern will. Sie ist als politische Kampfgemeinschaft weltanschaulich tolerant. Sie hat Platz für den Gläubigen, gleichgültig, welchem Religionsbekenntnis er sich zuwendet, für den, der sein Verhältnis mit der Schöpfung auf freie philosophische Grundlage stellt, sowie auch für den, der Schöpfung und Vorsehung überhaupt aus innerer Ueberzeugung ablehnt."

Obwohl Pittermanns These noch auf dem Parteitag vereinzelt von Marianne P o IT a k und

Dr. Ernst K o r e f, die die Sozialistische Partei auch als Weltanschauungsgemeinschaft gelten lassen wollten, angefochten wurde, wurde der Bericht Pittermanns vom Parteitag gebilligt und damit zweifelsohne auch sein grundsätzlicher Inhalt bestätigt. Uebrigens geht aus allen diesen Aeußerungen klar hervor, daß die Sozialistische Partei wohl vereinzelt als Weltanschauung, von niemandem aber als „eine Art Religionsgemeinschaft“ ins Auge gefaßt wurde.

Die gleiche Position bezieht ein sehr ernstzu- nehmender Aufsatz von Karl Czernetz, „Weltanschauung, Sozialismus und Kirche“, in der angesehenen sozialistischen Monatsschrift „Die Zukunft“ (Heft 4/1957, Seite 101 ff.). Es heißt darin unter anderem:

„Der Sozialismus ist keine religiöse Angelegenheit, er ist weder christlich noch antichristlich, er ist weltanschaulich tolerant und in religiöser Beziehung neutral.“

Und weiter unten:

„Die Sozialisten wollen und werden sich als weltanschaulich neutrale und tolerante demokratische Partei nicht in den ihnen nicht zustehenden Bereich des Religiösen und der Seelsorge einmischen.“

Schließlich sprach auch der neue Bundespräsident Dr. Schärf in seiner Abschiedsrede als Parteiobmann von der SPOe als einer

„Interessen-“ und „Herzensgemeinschaft", also nicht eines religiösen Surrogates.

Das ist unmißverständlich und verweist den eingangs erwähnten, privaten Sprecher in den sicherlich nicht sehr stimmkräftigen Chor per-

seitlicher Einzelgänger. I fruchtbaren Gespräch wollen wir nns nicht an ihn, an den Schmiedl, sondern an die Schmiede halten.

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