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Einen festen Platz

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Der Liberalismus, der im Individualismus, im Naturrecht, im Neuhumanismus und in der Aufklärung seine Vorgänger hatte, begann seine politische Wirksamkeit in Österreich im Revolutionsjahr 1848. Die fundamentale Grundlage seines Entstehens lag in der vom Volk geforderten Beschränkung der Staatstätigkeit, auf dem Schutz der Freiheit des einzelnen und dem Schutz seines Eigentums.

Dieser auf dem weltanschaulichen Liberalismus fußende politische Liberalismus trug jedoch schon in den Anfängen seiner Entwicklung den Keim seines gefährlichsten Gegners in sich. Es war dies der sogenannte wirtschaftliche Liberalismus, der in der Folge zu schrankenlosem Machtkampf auf Kosten und unter Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen sowie zur Konzern- und Trustöffentliche Leben leitet; (— und daß ein junger Soldat, der sich in seiner Freude über das Abrüsten betrinkt und dann mit dem Leutnant, der dafür kein Verständnis hat, in Streit gerät, zum Abschied vom Bundesheer mit einem Jahr Kerker bestraft wird, das ist doch Beweis genug dafür, daß es mit liberaler Gesinnung bei maßgebenden Kreisen in Österreich nicht weit her sein kann!) Nachdem alle anderen Götzen politischer Weltanschauungen langsam die Gewalt über den Menschen verloren haben, wird bei uns die Neutralität zum neuen Fetisch erhoben, in dessen Namen die Freiheit des einzelnen wieder beschränkt werden kann, weil man vorgibt, daß sie von außen bedroht ist. Die Mitte der sechziger Jahre findet uns in einer seltsamen antagonistischen Situation: der „Liberalisierung“ im weltanschaulich-parteipolitischen Bereich, die fast schon zu der Bereitschaft geführt hat, dem Andersdenkenden ebenfalls eine positive, konstruktive Zielsetzung zuzuerkennen, steht eine bedenkliche Verabsolutierung sogenannter staatspolitischer Forderungen entgegen — übrigens nicht eine ausschließlich österreichische Erscheinung. Daß jene große Friedensbotschaft Papst Paul VI. vor den Vereinten Nationen in Österreich im Manövergeschrei untergehen konnte, das scheint mir Zeugnis dafür, daß wir bei allem Lippenbekenntnis zur Freiheit des Menschen noch weit entfernt von wahrer liberaler Gesinnung sind, daß wir doch noch nicht dazu gefunden haben, wirklich den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt unseres Denkens zu stellen und zum Ziel unseres Handelns zu machen.bildung führte. Diesem Versagen des Liberalismus in der sozialen Frage ist es zuzuschreiben, daß sein Gedankengut in Österreich nie wirklich Fuß fassen konnte. Es mag typisch sein, daß gerade jene Geisteshaltung und schließlich politische Richtung, die als erste die Sicherung der Rechte des einzelnen, die Einschränkung der Staatsgewalt, die Gleichheit vor dem Gesetz und einen geordneten Rechtsschutz vertrat und durchsetzte, in der Folge vielfach mit hemmungslosem Gewinnstreben der Unternehmerschaft, Mietenwucher und dadurch hervorgerufenem sozialen Elend und Rechtlosigkeit der Unterdrückten gleichgesetzt wurde.

Dennoch glaube ich, daß das ursprüngliche Gedankengut des Liberalismus, wenn auch in einer weitgehenden Wandlung, noch heute seine Gültigkeit hat. Dem Menschen unserer Hemisphäre ist es wesens-gemäß, frei sein Leben zu bestimmen und seine schöpferischen Kräfte zu entfalten. Diese Freiheit wird heute mehr denn je von Kollektivismus, Vermassungsbestrebungen und Gesinnungszwang bedroht. Die FPÖ kämpft daher für die Sicherung der persönlichen Freiheit und die Möglichkeit einer freien Entfaltung aller schöpferischen Kräfte, allerdings mit der Einschränkung, daß die Freiheitsrechte des einzelnen dort enden, wo der Freiheitsbereich der Gemeinschaft beginnt. So gesehen glaube ich, daß der Liberalismus in der gewandelten Form freiheitlicher Ziele auch in Zukunft seinen festen Platz in der österreichischen Politik haben wird.

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