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Entschärfung eines politischen Stich-Wortes

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Der freiheitliche Klubobmann hat ein neues Parteiprogramm für seine „F" vorzudenken. Er denkt also nach. Zu seinem politischen Job gehört es, dabei vor allem an mögliche Wählerschichten zu denken. Das sozialistische Wählerpotential für die F - die über ihre eigenen Bonzen und die Internationalisierung des Arbeitsmarktes rabiaten Arbeiter und Arbeitslosen - scheint sich zu erschöpfen. An welcher anderen Stelle franst das parteipolitische Gefüge aus? Politische Angriffslust sucht sich diese Stelle, sie muß es tun und sie hat es nicht schwer.

Es ist die schwache Stelle der ÖVP. Diese hat es schon mehr als zwei Jahrzehnte verabsäumt, ihren Mitgliedern und Wählern zu erläutern, was die Verpflichtung auf ein christliches Menschenbild in ihrem Parteiprogramm und für dessen Umsetzung genau bedeutet. Die Rede von der christlichen Freiheit und Würde der menschlichen Person war politisch konkret, solange der Sozialismus in Österreich und vor allem seine geographisch nahen kommunistischen Varianten, kollektivistisch und antikirchlich waren. Jetzt, nach dem Ende des Kommunismus und wegen des sozial-liberalen Konsenses in der Koalition, hat die Bezugnahme auf das Christentum an Stellenwert verloren. Religiös und politisch traditionsbewußte Kernschichten der OVP geraten in ein ideologisches Niemandsland. Dort werden sie abgeholt.

Die neue F-Formel vom „wehrhaften Christentum" spricht in ein für viele Christen merkbares Defizit an Profilierung, an Wertorientierung, an Standpunkten, an Verteidigungsbereitschaft für Wesentliches und so fort im öffentlichen Leben hinein. Ich sehe darin ein wichtiges Symptom, aber noch kein prinzipielles Problem. Alk politischen Parteien neben der Volkspartei haben versucht, Christen als Mitglieder und Wähler zu gewinnen, und jede hat dies mit einer Akzentuierung auf die eigene Parteiprogrammatik hin getan. Die SPÖ setzte auf das christliche UrMotiv der sozialen Gerechtigkeit (meint sie heute mit „engagiert" noch dies?), Grün-Alternative rekurrieren auf den - als „Bewahren" interpretierten - biblischen Schöpfungsauftrag sowie auch auf die Tradition der Aszese („Small is beauti-ful") und sogar die Liberalen knüpfen - zumindest in Gesprächen mit Christen - zur klinisch sauberen Trennung von Kirche und Staat an das durchaus christliche Konzept der Gewissensfreiheit an.

In all diesen Bezugnahmen erfolgt unvermeidlich eine Einengung, wenn nicht Verkürzung der christlichen Botschaft. Davor sind nicht einmal die Kirchen gefeit, die sich auch nur mit Mühe in der menschlichen Breite und gedanklichen Höhe der eigenen Verkündigung halten. Zwischenbemerkung: Aus historisch heilsamer, aber später als Gleich-Gültigkeit mißverstandener Äquidistanz zu den politischen „Lagern" wurde kirch-licherseits nicht mehr ausreichend mitreflektiert, wie die Parteien in Osterreich Christen als Christen ansprechen.

Das ist jetzt nicht mehr möglich, und vielleicht war die provokative Aussage vom „wehrhaften Christentum" kombiniert mit Bischof Krenns sympathisierendem Bichtspruch über die Äquidistanz als „absoluter Möller" ein heilsamer Schock gegen einen schlampigen Umgang mit den weltanschaulichen Dimensionen des politischen Lebens. Jetzt geht es darum, die F mit den „Waffen des Lichts" (!) (Bömerbrief 13,12) friedlich darüber aufzuklären, daß die unerläßliche Wehrhaftigkeit des Christentums nie mit ihrer Angstmache vor dem Islam und Ausländern überhaupt identisch werden kann, weil die Kirchen von ihrem Wesen her übernationale Gemeinschaften im Dialog mit allen anderen Weltreligionen sind und dies zu verteidigen haben. Ich würde als Theologe gerne mit Klubobmann Stadler, dem ich in der Kirche verbunden bleibe, darüber streiten. Es geht jedoch nicht nur um die F. Die Frage der Sonntagsarbeit hat gezeigt, daß es auch in der Auseinandersetzung mit ÖVP und SPÖ christliche Substanz in unserer Kultur zu wahren gilt, und mit Grün-Alternativen möchte ich die Sorge um die Umwelt teilen, ohne im Biokreislauf oder Seelen-Recycling als Individuum verschwinden zu müssen.

Schließlich ist noch zu sagen: Die vorliegende Überlegung ist redlicherweise wohl auch nur als Stich-Wort zu bezeichnen. Entschärfen wir die Stichwörter, verwandeln wir sie in Gedankengänge und Gespräche. Dafür lohnt sich's zu kämpfen.

Der Autor ist

Bischöflicher Beauftragter für Kontakte zu Wissenschaft und Kultur in der Diözese Graz-Seckau.

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