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Wahlprognosen mit dem Rechenstift

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Mit dem Rechenstift ist leicht herauszufinden, daß auch ein Block aller Linksparteien nur Erfolg haben kann, wenn er von christlichdemokratischer Seite her .Unterstützung findet. Die politische natürliche und daher beste Lösung wäre ein gemeinsamer Kandidat der gegenwärtigen Koalition der linken Mitte. Aber die Bemühungen der DC, einen von den ihren anerkannt zu haben, sind bislang gescheitert. Saragat, der bereits 1962 gegen Segni unterlegen ist, will auch diesmal ins Turnier gehen, stößt aber auf den Widerstand nicht nur der DC, sondern auch — vorläufig .— der Kommunisten. Gewisse Avancen, die er in letzter Zeit gemacht hat (er befürwortet, daß Kommunisten in die europäischen Institutionen gewählt werden), haben wenig Eindruck auf sie gemacht.

Es muß jedoch anerkannt werden, daß der Kampf um den Quirinal nicht mit der gleichen Härte geführt wurde wie 1962. Die Parteien der linken Mitte sind viel zu sehr mit der Erhaltung dieser Formel beschäftigt, nach der, wie sich Nenni ausdrückt, „das pure Abenteuer beginnen würde“, um sie durch Unnachgiebigkeit aufs Spieb zu setzen. Die Präsidentenwahl bringt viele Gefahren für die Koalition mit sich, darum war auch die Regierung bemüht, die Frage erst nach den administrativen Wahlen am 22. November anzuschneiden und so lange wie möglich hinauszuschieben. Man hat jedoch den Eindruck, daß keine Partei die Dinge auf die Spitze treiben will und die Regierung Moro somit nicht in Frage gestellt erscheint. Auch in Italien zieht die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes den formellen Rücktritt der Regierung nach sich. Aber Aldo Moro habe gedroht, er werde effektiv zurücktreten, falls Fanfani die Wahl gewinnen sollte; und Nenni habe das gleiche versichert, wenn Merzagora als Sieger hervorgehen sollte. Beide würden die Fortsetzung der Politik der linken Mitte ernsthaft kompromittieren. Doch solche Vorsätze, wenn sie tatsächlich laut geworden sind, können auch zurückgezogen werden. Entscheidend wird sein, ob der Democrazia Cristiana es vorteilhafter erscheinen wird, mit Leone auf die Unterstützung der Liberalen, Monarchisten und Neofaschisten zu rechnen oder für Taviani die Sozialisten zu gewinnen, mit einer Ehrenrunde für Saragat. Wenn Fanfani als unbekannte Größe aus der Rechnung bleibt, dürfte dies zutreffen.

Prognosen, und mögen sie noch so genau mit dem Rechenstift an Hand der Vergleichstabellen mit den Resultaten vergangener Wahlen ausgetüftelt sein, haben eben den großen Nachteil, nur Prognosen, eben Vorhersagen zu sein. Die politische Realität hält sich in den wenigsten Fällen an die Prophezeiungen über Wahlresultate. Zu dem Zeitpunkt, da diese Ausgabe der „Furche“ bei den Lesern eintrifft, ist die Wahl des Staatspräsidenten bereits entschieden. Und es wird sich herausgestellt haben, wieweit die Voraussagen der Wirklichkeit — also dem Entscheid der Parlamentsabgeordneten — entsprechen. Aus Signore X, dem großen Unbekannten, ist der Präsident der Republik Italien geworden.

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