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Goldoni autentico
Wahrscheinlich kannte Goldoni das „Impromptu de Versailles“, jenes geniale Nichts ohne Handlung, aber bis zum Rande gefüllt mit Geist und Charakterkomik, worin Moliere sich selbst und seine Truppe auf die Bühne stellt, um König, Hof und Publikum augenzwinkernd daran zu erinnern, daß man Dichter nicht drängen und Schauspieler nicht überfordern darf.
Goldanis nicht minder geniale Variante, „Una delle ultime sere dt Carnovale“, entstand jedenfalls 1761, als der Dichter für immer von Venedig Abschied nahm, weil, wie er in seinen Memoiren meint, „republikanische Mehrheiten sich hierzulande für die Protekti onski nder der Etablierten zu entscheiden pflegen“. Das Teatro Stabile di Genova gastierte mit „Una delle ultime sere“ im Wiener Akademietheater. Der venezianische Text des Originals, bei oft atemraufoeindem Tempo in den Einzelheiten schwer verständlich, in der Sprachmelodie aber dem Österreicher wohlvertraiut, bedurfte keiner Erläuterungen. Unaufdringliche, aber klassisch genormte Mimik, die auch bei den unbeschäftigten Darstellern kein Pausieren auf offener Szene kennt, machten den Sinn jeder Situation, jeder scherzhaften Replik, jedes Beiseitesprechens transparent. Man verstand, daß Camillo Milli mit seinem Sior Zama-ria den ewigen Dottore auf die Bretter stellte, daß aus den Wortkaskaden des Sior Momolo, den Omero Antomttti mit typisierter Akrobatik verkörperte, niemand anderer hervorsprach und hervorsprang als der unzerstörbare Arlecchino, daß die ansteckenden Lachkrämpfe der Elsa Vazzoler bei ihrer grandiosen Gestaltung der temperamentvoll ordinären Siora Alba von sämtlichen Fischweibern abstammten, die einst mit Goldonis „Baruffe“ erfolgreich gewesen waren, man verstand, daß hinter dem Sior Augustin des Gianni Fenzi, hinter der Siora Eleneta der Grazia Maria Spina einst Gestalten der Goldoni-Bühne gestanden haben mochten, deren Spezialität Minderwertigkeitskomplexe und grundloses Beleidigtsein war. Man begriff, warum Eros Pagni seinen gravitätisch-humorlosen Sior Bastian mit unentwegter Baßstimme au sprechen hatte und warum Giamcarlo Zanetti seinem Sior Anzo-letto, mit dem niemand anderer als Goldoni selbst gemeint ist, einen nicht geringen Unterton von Bitterkeit und Protest zu geben hatte. Bemerkenswert Lina Volonghi, die als Madame Gatteau ihr Italienisch mit französischem Akzent und ihr Französisch ohne jeden hörbaren Akzent sprach.
Bemerkenswert die vorbildliche Regiearbeit von Lutgi Squarzina, Jahrgang 1922. Man tafelt wirklich, man läßt sich den Wein schmecken, man mischt den Salat mit der unwiederholbaren Gestik. Madame Gatteau verbreitet tatsächlich, den Regieanweisungen gehorchend, die schrillen Düfte ihres billigen Parfüms über das ganze Parkett. Perfekt in jeder Phase die Verteilung der Personen. Perfekt das Bühnenbild des Gianfranco Padovani, dessen Klapp- und Schiebewände einen geräuschlosen und blitzschnellen Ortswechsel gestatten. Nicht ganz so perfekt allerdings Padovanis Kostüme. Mehr als perfekt aber die behend gesprungene Quadrille, mit der, statt gravitätischer Reverenzen, das Ensemble 20 Minuten lang die verdienten Ovationen entgegennahm. Wien hatte verstanden: so spielt man Goldoni. So spielt man Theater.
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