6752571-1967_33_15.jpg
Digital In Arbeit

Festwochen mit Niveau

Werbung
Werbung
Werbung

Immer mehr bürgert es sich ein das Publikum bei Festwochen rar Gastensembles aus aller Herrer Ländern zu konfrontieren. Das Gastspielprogramm, das die Züricher Festwochen boten, war gut ausgewählt und in qualitativer Hinsichl einwandfrei.

Mag man nun mit Recht bezweifeln, ob Aristophanes' „Frösche“ in neugriechischer Fassung, gespiell vom Griechischen Kunsttheater Athen, dem kritischen Theaterbesucher mehr als nur eine Erinnerung an längst vergangene Gymnasialzeil wachruft, so stand die Originalitäl dieser Inszenierung von Karolus Koun außer Zweifel. Freilich rnil Neugriechisch vermag der Theaterbesucher selbst in der viersprachigen Schweiz wenig anzufangen. — Daß das Teatro Piccolo Milano und das Theater vor dem Tor, Prag, Begeisterungsstürme hervorrufen würden, war vorauszusehen. Strehlens Inszenierung von Goldonis „Diener zweier Herren“ ist bereits Theatergeschichte geworden. Da kommt man zweieinhalb Stunden aus dem Staunen über diese Vitalität des Spiels nicht heraus. Ganz anders die Prager, die Tschechows „Drei Schwestern“ resigniert, mit einem Minimum an Aufwand spielen, stellenweise stark unterspielen: im Vergleich zu den Mailändern wirken sie unauffällig. Sehr heiter und poesievoll schließlich das Pariser Theätre National Populaire, das mit Corneilles Komödie „Die komische Illusion“ einen äußerst amüsanten Beitrag zu diesem Theatertreffen lieferte. Die größte Enttäuschung steuerten leider die Hausherren — das Zürcher Schauspielhaus — mit der deutschsprachigen Erstaufführung der Neufassung von Genets „Balkon“ bei. Werner Düggelin verkannte Genet: mit einer Inszenierung, die zum Großteil auf „Kammerton“ bedacht war, kann man nur an Genet vorbeigehen. Entweder man spielt Genet entfesselt — wie die „Neger“ in Paris — oder um den Autor selbst zu zitieren, wie, eine hohe Messe. So geriet die Story, die in einem Unterhaltungslokal spielt, das den verschiedensten Personen des Schauspieles zur Stätte ihrer geheimsten Illusionen wird, recht farblos. Selbst Namen wie Maria Becker, Willy

Birgel und Walter Richter konnten da nicht helfen — Genet fand nicht statt. — The Bristol Old Vic Company mit Shakespeares „Hamlet“ und „Maß für Maß“ kam bei den Kritikern schlecht weg. Meiner Meinung nach zu Unrecht: Hier wurde purster Naturalismus geboten — um dieses abgedroschene Wort zu gebrauchen —, aber überzeugend, das ist das Entscheidende.

Die Zürcher Oper unternimmt zwar unter Intendant Juch ziemlich viel, um von sich reden zu machen, leider- mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Die Uraufführung von Suter-meisters „Madame Bovary“ war — trotz Anneliese Rothenberger in der Titelpartie — ein reiner Durchfall. Wenn schon Madame Bovary, dann lieber gleich Flaubert. Auch die letzte Neueinstudierung dieser Saison, „Cosi fan tutte“ durch das Team Lindtberg/Vöchting blieb zwiespältig. Alles wirkte zu schwerfällig, an Rennert-Böhm durfte man nicht denken. Nicolai Ghiaurov sang seinen heutzutage konkurrenzlosen Philipp im „Don Carlos“ — alles andere neben ihm auf der Bühne war bescheidenste Opernprovinz.

Von den Festwochenkonzerten bleibt die Aufführung der 2. Sinfonie Mahlers unter Otto Klemperer mit dem Tonhalle-Orchester unvergessen. Der 83jährige Dirigent, körperlich schwer behindert, erwies sich auch diesmal als treuer Mahler-Jünger. Ergriffen dankte ein jugendliches Publikum, die Bravo-Stürme wollten kein Ende nehmen. Endlich hat sich Klemperer mit Zürich ausgesöhnt.

Erwähnt sei noch das Internationale Mimentreffen, das deutlich erwies, daß die Zeit der „klassischen“ Pantomime endgültig vorbei ist. Positive Eindrücke und Überraschungen waren hier vor allem dem Spanier Joe Luis Gomez, dem Teatro de Miimos de Chile und Roy Basier zu danken. — Den Ballettfans gab ein Gastspiel des Balletts der Hamburger Staatsoper mit Hindemiths „Vier Temperamenten“ (Balanchine'1 und Bizets „Carmen“ (Petite) Gelegenheilt, einmal Außergewöhnliches zu erleben. Fazilt: Festwochen, die diese Bezeichnung auch verdienen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung