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Direktwahl widerspricht der Bundesverfassung

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Nicht nur die Direktwahl des Landeshauptmannes bringt die geltende Bundesverfassung ins Wanken, wie Hannes Schopf im Beitrag „Versuchsballon mit Hintergedanken” (FURCHE 3/1991) richtig warnt. Entgegen der Ansicht des ÖVP-Klubobmannes Heinrich Neisser scheint mir auch die Direktwahl auf Gemeindeebene verfassungswidrig zu sein. Die Idee der direkten Wahl der Bürgermeister und Landeshauptleute ist undemokratisch und mit dem Geiste der österreichischen Verfassung in Widerspruch stehend.

Die Gemeinde; das Bundesland, unser Staat, die Kammern und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind Zwangsgemeinschaften. Jeder, der nicht seiner Heimat entfliehen will, ist in diese staatlichen Gebilde zwangsläufig eingebunden, er kann sich auch nicht seiner Pflicht als Gemeinde-, Landes- oder Staatsbürger entziehen. Die direkte, unmittelbare Mitbestimmung durch jeden einzelnen Staatsbürger, von dem das Recht ausgeht, ist in diesen Zwangsgemeinschaften nicht möglich. Der einzelne Staatsbürger überträgt daher die Verantwortung für den Staat, für das Land, die Gemeinde, die Kammer immer auf eine Personenmehrheit (Nationalrat, Landtag, Gemeinderat, Kammervollversammlung), die dann erst sowohl den für die jeweilige staatliche

Einrichtung leitenden, also ihren Obmann beziehungsweise Präsidenten und deren Stellvertreter, als auch die entsprechenden Vollzugsorgane wählen, bestellen oder auch nur bestätigen. Die den einzelnen mehrköpf igen Gremien Vorstehenden haben keine Sonderrechte, ausgenommen allfällige Dirimie-rungsrechte und Leitungsfunktionen.

Einzig und allein der Bundespräsident wird vom Volke direkt gewählt. Vom Bundespräsidenten geht eine Ordnungsfunktion aus. Er beruft den Nationalrat beziehungsweise die Bundesversammlung ein, er ernennt und entläßt die Mitglieder der Bundesregierung, ihm obliegt die Angelobung der Mitglieder der Bundesregierung, die Angelobung der Landeshauptleute et cetera. Der Bundeskanzler schlägt die Mitglieder der Bundesregierung vor, einzelnen Ministern unterstehen wiederum verschiedene Einrichtungen zur Kontrolle (Kammer et cetera). Der Landeshauptmann untersteht im Rahmen der Bundesverwaltung der Bundesregierung, im Rahmen der Landesverwaltung ist er nur primus inter pares. Er bestellt die Bezirkshaupt-leute. Diese üben nicht nur die Aufsicht über die Gemeinden, so-hin auch über die Bürgermeister aus, in ihre Hand legen die Bürgermeister auch das Gelöbnis ab.

Der Bürgermeister hat im Vergleich zu den anderen Institutionen (Nationalrat, Bundesregierung et cetera) eine Sonderstellung. Er kann nur aus dem Personenkreis des Gemeinderates stammen, er ist nicht nur Vorsitzender der „gesetzgebenden Körperschaft” Gemeinderat, sondern auch erstes Verwaltungsorgan der Gemeinde.

Der für die Verwaltung und auch den demokratischen Aufbau so wichtige Grundsatz der Subsidiarität verbietet es, den mit dem Vollzug dessen, was die jeweilige Einheit selbst besser besorgen kann, betrauten, sozusagen von unten her mit der Autorität auszustatten. Die Subsidiarität ist nur dann effizient, wenn sie das staatliche Gesamtgebilde nicht aus dem Auge verliert. Der direkt gewählte Bürgermeister würde „Gemeindekaiser”, nicht mehr „primus inter pares”.

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