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Geisterhafte Hausgeister

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In der japanischen Wissenschaftsstadt Tsukuba wird gezeigt, wie Roboter das menschliche Leben in Zukunft erleichtern könnten. Für manchen eher eine Schreckensvision.

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In der japanischen Wissenschaftsstadt Tsukuba wird gezeigt, wie Roboter das menschliche Leben in Zukunft erleichtern könnten. Für manchen eher eine Schreckensvision.

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Um das Jahr 2000 werden keine Arbeiter mehr an den Drehbänken schuften, keine Frauen mehr am Fließband oder am Webstuhl hantieren. Aber nicht nur die Fabrikation, sondern auch die Dienstleistungen werden weitgehend von Robotern ausgeführt werden.

Sie kriechen durch die Abwas-serrohre zur Reinigung, turnen auf Brücken und Wolkenkratzern, um sie anzumalen oder zu putzen, stutzen die Sträucher in den Parks, servieren Mahlzeiten in den Spitälern. Sie steigen hinab in die Kohlenbergwerke und schürfen Erze. Sie bedienen spezielle Anlagen, wo aus einer Mischung von Wasser und Nährsalzen unter computergesteuerten besten Umweltbedingungen eine einzige Pflanze 10.000 Tomaten produziert. Sie spielen jede Komposition vom Blatt, dank einer eingebauten, notenlesenden Kamera. Und sie, die Roboter, werden auch problemlos technische und wissenschaftliche Texte übersetzen.

Das ist Zukunftsvision, die bei der im März eröffneten und bis September dauernden Internationalen Ausstellung für Wissenschaft und Technologie in der neuen Wissenschaftsstadt Tsukuba, 50 Kilometer nördlich von Tokio, entwickelt wurde.

Hier wirken schon 80 mechanische Diener, deren größter 25 Tonnen wiegt. In 48 ausländischen, 32 japanischen und 37 von internationalen Organisationen erstellten Pavillons wird alles gezeigt, was sich die Aussteller beim Thema „Umwelt und Behausung” der Menschheit in der Zukunft vorstellen. Besser gesagt, das wäre das gestellte Thema gewesen.

In einigen Pavillons bewegt man sich im Rahmen dieser Thematik. So zeigt beispielsweise ein Film der Schweizer die Bedeutung und Problematik des Wassers für die Industriegesellschaft, oder die Franzosen versuchen, alternative Energien aufzuzeigen. Im allgemeinen aber herrscht, vor allem in den Monsterbauten der japanischen Firmen, eine kindliche Freude am Spiel mit millionenschweren Superlativen der Elektronik. Rund 56 Milliarden Schilling wurden in Tsukuba investiert für ein technisches Disneyland, über dem der ewig blaue Himmel des ungetrübten Fortschrittsglaubens strahlt, den nur noch die Japaner mit den Amerikanern und Russen teilen.

Japan inszeniert hier sein Bild als elektronische Supermacht mit Computern, Robotern, Biotechnologie, Elektronik, Satellitenübermittlung, Raumforschung etc. Aber alle Fragen, die diese Entwicklung wachruft, werden nicht beantwortet, ja sogar nicht einmal gestellt. Was sollen die in Zukunft freigesetzten, überflüssigen Arbeiter und Angestellten tun? Was geschieht, wenn die Meere leergefischt, die Minen geplündert, die tropischen Regenwälder abgeholzt, die ölfelder erschöpft sind? Japan allein, mit nur 2,5 Prozent der Weltbevölkerung, verbraucht heute 12 Prozent ihrer Rohstoffe. Davon ist in Tsukuba beispielsweise nicht die Rede..

In Wien wird man nach der Rückkehr von Tsukuba mit solchen Fragen konfrontiert. So in der Ausstellung, die die junge, österreichische Künstlerin Eva Afuhs im Gebäude der Ostasiatischen Gesellschaft veranstaltete. Ihr Raumkonzept „100 Briefe an eine Mutter” entwickelte in der Kombination von Videobildern, unbeholfenen Texten und einer Sandlandschaft, die von Eisenstäben bestückt war, an denen Briefe oder leere Papiere flatterten, ein erschütterndes Bild der Verlorenheit eines jungen Menschen in einer Welt, in der die Wüsten wachsen. Durch Umweltgifte hervorgerufene Mißgeburten, Drogentote, Verhungernde, Verwahrloste erschienen da auf dem Bildschirm. Man wünscht nur, dieses Raumkonzept wäre in Tsukuba zu sehen als Korrektur des flachen Optimismus der überdimensionierten Spielwiese. Österreich nimmt nicht daran teil...

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