Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Pilgerziel seit 1500
Die Tiroler Wallfahrtskirche Mariastein hat als besonderes Geschenk eine Steinplatte der römischen Hauptkirche Santa Maria Maggiore erhalten. Der Erzpriester Kardinal Carlo Confalo- nieri hat in einem Dekret die schwesterliche Verbundenheit der beiden Kirchen zum Ausdruck gebracht.
Geographisch liegt Mariastein zwischen Kufstein und Wörgl, jenseits des Bergrückens, der sich am linken Innufer erhebt. Seit mehr als 600 Jahren ist der hohe Turm, der Stein, ein Teil der Burg, in der schon 1371 die Freundsberger als damalige Besitzer eine Wochentagsmesse stifteten. Die erste Kapelle ist wahrscheinlich die unterste der drei Kapellen, noch ganz in Stein gehauen. Sicher kann man seit 1500, als Graf Christoph zu Liechtenstein einen Wohnraum im „Stein“ (Turm) zu einer Kapelle ausbaute, von einer Wallfahrt sprechen.
Verehrt wird Maria in der Gestalt einer Statue, Madonna mit dem Kind, ein Kunstwerk, das offenbar aus der salzburgisch-oberbayrisciien Schule, mit starken Anklängen an Pacher, stammt.
Man steigt 150 Stufen zur obersten Kapelle, die eigentlich eine kleine Kirche ist und gut 200 Personen Platz bietet. Gerade das Mirakelbuch, das von Gebetserhörungen berichtet, ist eine Fundgrube der religiösen Andachtsund sozialen Geschichte für einen weiten Umkreis, denn Mariastein wurde nicht nur vom unteren Inntal, sondern auch von Bayern, Südtirol, Salzburg und anderen Gegenden aus viel besucht.
Schloß und Stein haben ein schönes und bitteres Schicksal erlebt, und trotzdem kann M. Mayer in seiner zweibändigen Geschichte von Mariastein vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges berichten, daß rund 35.000 Wallfahrerjährlich Mariastein besuchten.
Der Zweite Weltkrieg brachte natürlich wieder größte Beschwerden, und es ist nur der Umsicht des eifrigen Schloß- kaplans Simon Viehauser zu verdanken, daß nicht alles zerstört wurde. Vie
hauser hatte 1909 den Dienst angetreten und war 1951 dort gestorben.
Es ist das bleibende Verdienst des Erzbischofs Andreas Rohracher, der neben den Sorgen um den Wiederaufbau des Doms in Salzburg sich unermüdlich bemühte, im Tiroler Anteil seiner Erzdiözese wieder aufzubauen. Ein Herzstück seiner Sorgen war Mariastein. Zunächst allerdings schien alles Bemühen fast aussichtslos. In den vier Jahren bis 1955 wechselten einander zehn Kapläne und Aushilfspriester ab.
Erst in Rudolf Ludwig, damals Vikar in Thiersee, fand Rohracher den geeigneten Mann für Mariastein. Erstaunlich, was von und unter ihm alles geleistet wurde: Im Schloßhof wurde eine Altarkapelle eingerichtet, die Kreuzkapelle wurde restauriert, die eigentliche Wallfahrtskirche im Turm ausgestattet, eine völlig neue Orgel gebaut, durch die Versendung vieler Briefe die Wallfahrt neu bekannt gemacht; in kürzester Zeit stieg die Besucherzahl auf über 100.000 pro Jahr.
Erstaunlich auch die große Zahl von Hochzeiten: grüne, silberne, goldene und diamantene. Jung und alt begegnen einander in dieser Kirche. Mir ist nicht bang um die Zukunft dieser Wallfahrt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!