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Problem liegt bei den Parteien

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Immer wieder heißt es in Schülerzeitungen: Wozu Religionsunterricht? Warum nicht ein Ethik- oder Sozialkundeunterricht? Und wenn schon Religionsunterricht, warum nicht ohne Benotung? Was soll überhaupt benotet werden? Warum üben Eltern und Erzieher Druck auf Schüler aus, damit sich diese nicht vom Religionsunterricht abmelden? Die FURCHE bittet Ihre jüngeren und älteren Leser, dieses Thema nicht als Tabu anzusehen, sondern ernsthaft, mit möglichst schlagkräftigen Argumenten, auf diese Schülerfragen einzugehen und sich zahlreich an einer Leserdiskussion zum Religionsunterricht zu beteiligen.

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Immer wieder heißt es in Schülerzeitungen: Wozu Religionsunterricht? Warum nicht ein Ethik- oder Sozialkundeunterricht? Und wenn schon Religionsunterricht, warum nicht ohne Benotung? Was soll überhaupt benotet werden? Warum üben Eltern und Erzieher Druck auf Schüler aus, damit sich diese nicht vom Religionsunterricht abmelden? Die FURCHE bittet Ihre jüngeren und älteren Leser, dieses Thema nicht als Tabu anzusehen, sondern ernsthaft, mit möglichst schlagkräftigen Argumenten, auf diese Schülerfragen einzugehen und sich zahlreich an einer Leserdiskussion zum Religionsunterricht zu beteiligen.

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„Es gibt viel weniger .politisches Temperament als die Demokratie es voraussetzt.“

Max Frisch

Erstmals zur Wahl gehen zu können, ist sicher nur für wenige Jungwähler ein erhebendes Gefühl. Schließlich sind wir die Demokratie ja gewohnt und betrachten das, was unsere Väter lange Zeit nur erträumen konnten, als ganz selbstverständlich und nicht der Rede wert. Wir haben die Freiheit der Wahl, diese Freiheit ist aber nur dann sinnvoll, wenn es entsprechend attraktive Alternativen gibt, zwischen denen man sich entscheiden kann.

Das Problem der vieldiskutierten „politischen Abstinenz der Jugend“ liegt nämlich nicht etwa darin, daß diese Jugend die Wahlfreiheit nicht zu schätzen wüßte, sondern das Problem hegt bei den der Jugend angebotenen Wahlmöglichkeiten und Alternativen, sprich: den Parteien. Die Jugend ist nicht demokratiemüde, sie ist höchstens der ihr bisher gebotenen Wahlmöglichkeiten müde.

Was bieten die Parteien jungen, vielfach noch idealistisch gesinnten Menschen? Sie'bieten das Bild einer gigantischen Machtakkumulation, die zu der grotesken Situation geführt hat, daß praktisch das gesamte öffentliche Leben Österreichs parteipolitisch proportioniert ist. Durch die gesamte Gesellschaft zieht sich ein langer, meist schwarzroter Strang parteipolitischer Einflußsphären (z. B. ÖAMTC - ARBO, Alpenverein -Naturfreunde usw.), die Wiener SPÖ bietet z. B. totales Bürgerservice auf Vereinsbasis von den Kinderfreunden bis zum Krematoriumsverein „Die Flamme“. Hier offenbaren sich parteipolitisch verkrustete Strukturen, die alles andere als einen Ausbund an Freiheit und Demokratie darstellen.

In der BRD stehen 60 Millionen Einwohnern zwei Millionen Parteimitglieder gegenüber. In der Schweiz, einer „Musterdemokratie“ mit sechs Millionen Einwohnern, sind nur ca. 50.000 Menschen mehr oder weniger, stolze Besitzer eines Parteibuches, in Österreich sind es über 1,5 Millionen!

Das sollte zu denken geben, zeigt es doch, daß das Demokratieverständnis in Österreich auf ein Lagerdenken reduziert zu sein scheint. Die zunehmende Einflußnahme der Parteien in immer mehr Lebensbereichen führt dazu, daß der staatsfreie Raum für den einzelnen immer kleiner wird. Die Folge davon ist genau das Unbehagen, das sich immer wieder in Bürgerinitiativen und „Alternativbewegungen“ entlädt. Der Mensch lebt halt nicht vom Parteibuch allein ...

Es ist nur beruhigend, daß diese „Alternativbewegungen“ (von extremistischen Randerscheinungen, die es ja überall gibt, einmal abgesehen) in Richtung direkte Demokratie tendieren. Was wir brauchen, ist daher nicht so sehr eine Demokratisierung der Bürger als vielmehr eine Demokratisierung der Parteien. Um es in die Worte eines Wahlslogans zu kleiden: der Einfluß der Parteien muß auf ein für die Demokratie erträgliches Maß reduziert werden.

Wenn aber - wie bereits geschehen - eine der Parteien ebendiese Forderung an ihre Fahnen heftet, so ist das nicht allzu glaubwürdig, denn wenn Parteien für mehr Elemente der direkten Demokratie eintreten und damit eine Einengung ihrer ureigensten Macht- und Einflußsphären fordern, so erinnert das an den berühmten Tucholskyschen spanischen Tierschutzverein, der zur Finanzierung seiner Aktivitäten ausgerechnet einen Stierkampf veranstaltete. Aber es wäre nicht das erstemal, daß Parteien gleichzeitig Feuer speien und Wasser predigen.

Wenn von vielen die Parteien mit einem „geistigen Fleischwolf verglichen werden, in den man oben eine gute Idee hineinsteckt, um unten einen blöden Wahlslogan herauszubekommen, so haben sich die Parteien dieses eher miese Image zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben, denn ihre Wahlwerbung zielt ja primär auf die emotionelle Ebene, die sachpolitische kommt meist zu kurz, Taktik und Demagogie sind Trumpf.

Ein kleines, aber signifikantes Beispiel: Die ÖVP hatte die burgenlän-dische Landtagswahlordnung, die nach dem übereinstimmenden Urteil namhafter Fachleute verfassungswidrig ist, beim Verfassungsgerichtshof angefochten, diese Anfechtung aber in dem Augenblick wieder zurückgezogen, als die SPÖ als Gegenleistung dafür mehr Einfluß und mehr Pöstchen in der Landesregierung anbot. Politische Taktik war also wichtiger als die Aufhebung eines offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzes und somit die Wahrung des Rechtsstaats. Um dem Vorwurf der Einseitigkeit zu entgehen, genügt der Hinweis auf ein einziges Wort: Arbeiterkammerwahlen...

Obwohl oder gerade weil ich vorwiegend die Schattenseiten des Parteistaates erwähnt habe, glaube ich persönlich dennoch an diesen Parteienstaat - und an die Möglichkeit, aber auch an die Notwendigkeit, ihn zu verbessern. Die Ausübung des Wahlrechts ist für mich eine persönliche Pflicht, der man auch dann nachkommen sollte, wenn man zu dem fatalen Schluß gelangt, nur das kleinere von zwei oder drei Übeln wählen zu können. Daß dieser Schluß bereits von sehr vielen, insbesondere jungen Menschen gezogen wird, ist schlimm genug und sollte so manchen Parteifunktionären ernsthaft zu denken geben.

(Der Verfasser ist 21 Jahre alt und Jus-Student im 6. Semester in Wien).

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