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Sommerliche Währungsspekulation

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Seit Präsident Nixon am 15. August 1971 die Bindung des US-Dollar an das Gold’ löste, den US-Dollar gleichzeitig durch eine Sondersteuer auf Importe abwertete, ist die sommerliche Sauregurkenzeit zu einer Vegetationsperiode für jede Art von Währungsgerüchten geworden. Spekulationen über Ab- und Aufwertungen der verschiedenen Währungen nehmen breiten Raum in der Berichterstattung ein, als ob die Aufwertung der DM um ein weiteres halbes Prozent die Urlaubsausgaben der deutschen Touristen in den Ferienparadiesen der ganzen Welt entscheidend beeinflussen würde.

Während in früheren Jahren im Sommer zur „Sauregurkenzeit” immer das Seeungeheuer von Loch Ness seinen Kopf aus dem Wasser hob und damit den hitzegeplagten Zeitungsschreibern Stoff für ihre phantastischen Geschichten und Theorien gab, in den letzten Jahren hat scheinbar die Währungsspekulation diese spaltenfüllende Rolle übernommen.

Sommerliche Währungsspekulationen gab es so auch 1973. Am 29. Juni wertete damals die DM um 5,5 Prozent auf, nachdem die Deutsche Bundesbank den alten DM-US-Dollar-Kurs durch den Ankauf von Devisen in Höhe von 6 Mrd. DM vergeblich verteidigt hatte. Wenige Tage später erfolgte auch eine Aufwertung des österreichischen Schilling.

Im Sommer 1976 kam die DM wieder unter starken Aufwertungsdruck, der sich erst nach einer 2-Prozent-Aufwer- tung gegenüber den „Schlangenwährungen” im Oktober löste. Auch die problematisch enge Bindung des österreichischen Schilling an die DM war 1976 ein sommerliches Ereignis, ntehr durch die damalige Hitze als durch kühle Überlegungen gerechtfertigt.

Die jüngste Unruhe im internationalen Kursgefüge der Währungen wurde durch die „open mouth policy” des US-Finanzministers Blumenthal her- vorgerufejL, der mit gezieltem Gerede den US-Dollar unter Druck setzte. Ende Juli 1977 erreichte der US-Dollar mit 2,25 DM pro US-Dollar einen Rekordtief stand. In Österreich sank der Schillinggegenwert für einen US-Dollar auf unter 16 ab, noch Anfang 1971 betrüg der Gegenwert für einen US-Dollar 26 österreichische Schilling.

Die amerikanische Regierung verspricht sich von einer Abwertung des US-Dollars verbesserte Exportchancen für die amerikanische Industrie und damit einen Beitrag zur Verbesserung der US-Zahlungsbilanz. Da die offizielle deutsche Wirtschaftspolitik die Forderungen der Carter-Administration nach einer expansiveren Wirtschaftspolitik bisher eher ignoriert hatte, wurde der Dollar-DM-Mark-Kurs zu einer politischen Angelegenheit.

Anderseits ist die amerikanische Währung aber auch ökonomisch reif für einen Schwächeanfall. Den USA steht in diesem Jahr ein riesiges Zahlungsbilanzdefizit bevor, das von Pessimisten sogar auf bis zu 25 Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Wenn nun die USA zur Finanzierung ihres Zahlungsbilanzdefizits Dollar drucken müssen und damit die ganze Welt überschwemmen, dann ist es nur natürlich, daß der Preis der in großen Mengen angebotenen Ware „US-Dollar” fällt.

Entsprechend dem US-Dollar-Kursrückgang erfolgte die starke Aufwertung der DM. Ihr Kursanstieg berührte auch die europäische Währungsschlange. Innerhalb der europäischen Währungsschlange haben sich die Wechselkurse in einer durch die unterschiedlichen Inflationsraten der Mitgliedsländer der Währungsschlange vorprogrammierten Richtung verschoben. Da die Inflationsrate in den anderen Schlangenländem (Benelux, Schweden, Norwegen, Dänemark) doppelt so hoch ist wie in der BRD, wird es wieder zu einer größeren Wechselkursbereinigung wie im Oktober 1976 kommen müssen. Im Juli 1977 ver- zeichnete die D-Mark gegenüber den anderen Schlangenwährungen einen Kursanstieg von 3,6 Prozent, der aber als noch nicht ausreichend angesehen wird, die Unterschiede in den Inflationsraten auszugleichen.

Auch die Inflationsrate Österreichs unterscheidet sich viel mehr von der der Bundesrepublik, wie die seit Juli 1976 zu beobachtende DM-Schilling-Rela- tion vermuten läßt.

In den letzten Julitagen hat nun der Präsident der amerikanischen Notenbank, Arthur Bums, die Regierung Carter aufgefordert, dem Kursverfall des Dęllar Einhalt zu gebieten. Sicherlich hat aber nicht nur Bums Erklärung die Talfahrt des Dollars zum Juli-Ultimo gestoppt. In der Bundesrepublik war die Zahlungsbilanz im ersten Halbjahr erstmals seit langem defizitär, da die deutschen Kapitalexporte stark Zunahmen und damit den weiteren Höheflug der DM abschwächten.

Da die Leistungsbilanzdefizite der meisten anderen Industriestaaten aber nicht durch hohe Kapitalexporte, sondern durch zu hohe Erdölimporte und zu hohe Erdölpreise verursacht werden, wird es für diese Staaten so lange keine ausgeglichenen Zahlungsbilanzen geben, solange nicht entscheidende Veränderungen im Energieverbrauch der Industrieländer erfolgen.

Nicht die Sommersonne, sondern die ungelöste Energieversorgung der Industrieländer ist die Ursache für die große Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Devisenkurse wie auch der internationalen Konjunktur.

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