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Digital In Arbeit

Spielmaterial aus Aktenzeichen WBO"

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Was haben die Medien beim „Wohnbau Ost"-Skandal aufgedeckt und aufgeklärt? Die Untersuchungsbehörden geben darauf eine nüchterne wie ernüchternde Antwort.

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Was haben die Medien beim „Wohnbau Ost"-Skandal aufgedeckt und aufgeklärt? Die Untersuchungsbehörden geben darauf eine nüchterne wie ernüchternde Antwort.

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Wird der Presse „Medienjustiz" vorgeworfen, reagiert die Journalistenschar empfindlich gereizt. Man hält sich zugute, Skandale aufgedeckt und enthüllt zu haben, die sonst nie ans Tageslicht gekommen wären. So auch im ausufernden Skandal um die „Wohnbau Ost" (WBO) im Burgenland und in Niederösterreich.

Kritik an der Berichterstattung wird daher auch gleich in dem Sinn mißverstanden, eher etwas vertuschen zu wollen. Dabei geht es nicht um das Was, sondern um das Wie.

Wie etwa durch Veröffentlichungen Zeugen beeinflußt werden könnten: ein auch im konkreten Fall nicht geringzuschätzendes Problem.

Wie etwa Tatverdächtige gleich auf die Anklagebank gesetzt werden: die Medien wissen offenbar mehr als Untersuchungsrichter und Staatsanwalt.

Wissen sie mehr? Kennen sie neue, unbekannte Fakten, um weitere Details zu enthüllen? Das würde die Justiz in der Arbeit um ein gutes Stück vorwärtsbringen.

Hat also bisher die sogenannte Aufdeckung durch die Medien dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt bei der Aufklärung des WBO-Skandals genützt?

„Nein, nein", winkt der Eisenstädter Untersuchungsrichter Josef Tiefenbrunner im Gespräch mit der FURCHE ab, „ich bin sicher, sie hat in einzelnen Fällen geschadet."

Und konkret klagt er: „Es sind Zeugen zum Teil so fertiggemacht worden, daß sie nervlich völlig herunter waren und sich in ärztliche Behandlung begeben mußten. Ich mußte dann alles tun, um sie möglichst ohne Beeinflussung durch die Presse vernehmen zu können."

Ohne den Fall der Ex-Rauch-warter-Sekretärin Gertrude Kie-teubl in den Mund zu nehmen, klingt im Gespräch durch, wozu es im Gefolge der Veröffentlichungen gekommen ist.

Richter Tiefenbrunner ist „eigentlich sehr betrübt über diese Art der Berichterstattung". Denn zudem seien Sachverhalte zum Teil „viel zu schnell bekanntgeworden", wodurch eine Beeinflussung anderer wichtiger Zeugen möglich sein könnte. „Das widerspricht auch den Grundsätzen der Strafprozeßordnung" (Tiefenbrunner).

Außerdem hat die Berichterstattung in den Medien und die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen des Nationalrates und des burgenländischen Landtages den gerichtlichen Erhebungsfahrplan teilweise über den Haufen geworfen: Änderungen, die durch voreilige Indiskretionen notwendig wurden.

Plötzlich wurde das ominöse Konto „Sybille" aufgedeckt. Für die Öffentlichkeit, nicht für den Untersuchungsrichter.

Tiefenbrunner: „Das war vom ersten Tag der Voruntersuchung an bekannt. Es ist aber ein kleiner Betrag gegenüber den großen Brocken, die da (im WBO-Skan-dal) drinnen sind."

Und auch den Fall Kieteubl wußte das Gericht lange vor den aufdeckenden Medien: „Die Zeitungen haben sich ja, ich weiß nicht wie, auf mein Protokoll gestützt. Wenn sie wenigstens so fair gewesen wären, dazu zu schreiben, daß das nicht vom Gericht stammt", bangt der Untersuchungsrichter um das Ansehen der Justiz bei der Bevölkerung.

Wer meldet sich schon gerne als Zeuge, wenn er fürchten muß, daß seine Aussage geradewegs auf Redaktionsschreibtischen landet?

Ähnlich wie Tiefenbrunner äußert sich auch der zuständige Eisenstädter Staatsanwalt Werner Nußbaumer: Große Schlagzeilen zum Skandal wurden erst durch

Kleinarbeit der Justiz möglich.

„Zum Großteil ist es so", faßt der Staatsanwalt zusammen, „daß die Medien mit ihren Recherchen hintendran waren."

Unerklärlich ist ihm freilich, ebenso wie Tiefenbrunner, wie die Medien zu ihren Informationen aus den Gerichtsprotokollen gekommen sind. „Es gibt viele Möglichkeiten, die denkbar und teilweise auch gar nicht erkennbar sind" (Nußbaumer).

Es gäbe aber auch Möglichkeiten, die manches erklären würden — ohne daß hier jemand die fragwürdige Vorgangsweise unterstellt werden sollte.

Möglichkeit Nummer eins: Die Anwälte der Beschuldigten haben Akteneinsicht und dürfen sich auch Ablichtungen daraus machen. Würden aus diesem Kreise den Medien Unterlagen zugespielt, so doch vorrangig mit der Absicht, den jeweiligen Mandanten zu entlasten oder seiner Sache zu nützen.

Möglichkeit Nummer zwei: Die Untersuchungsausschüsse des Nationalrates und des burgenländischen Landtages sind in Besitz der Gerichtsakten. Hätte dort die Indiskretion ihren Ausgangspunkt, dürfen politische Motive angenommen werden.

Trotzdem: Obwohl bei Rauch-warter und Tietze der konkrete Tatverdacht der Untreue (siehe nebenstehenden Kasten) verfestigt werden konnte, ist Nußbaumer vorsichtig. „Den Tatverdacht jetzt wie eine Anklage zu konkretisieren, ist derzeit möglich." Für den Staatsanwalt.

Die Medien machen sich ihr eigenes Bild, auch wenn — wie im „profil" — zuerst eine als solche nicht gekennzeichnete Fotomontage herhalten muß: Rauchwarter umarmte dort den gambischen Minister Jallow mit Zimpers Kopf.

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