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Verdächtige Eile

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Gibt es in diesem Land überhaupt ein Thema, bei dem die politischen Parteien ohne Hickhack zu einem gemeinsamen Nenner finden können?

Ja, ein einziges: die Verlängerung der Legislaturperiode von derzeit vier auf fünf Jahre. Seit der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Ratzenböck in der Fernseh-„Pressestunde“ am 26. Jänner den Vorschlag aufgewärmt hat, regt sich in allen Parlamentsparteien rege Zustimmung. '

Nicht nur das. Rasche Verhandlungen sollen sicherstellen, daß die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode noch rechtzeitig vor den Nationalratswahlen 1987 vom Parlament beschlossen werden kann.

Die Eile ist verdächtig, nicht die Absicht an sich.

Die FURCHE darf sich zugute halten, in dieser Diskussion nicht erst auf den Zug aufspringen zu müssen. Vielmehr wurde bereits im Oktober 1985 versucht, die Vorteile gegenüber den Nachteilen eines solchen Schrittes abzuwägen, konkret am oberösterreichischen Beispiel, wo sogar eine sechsjährige Periode seit 1861 Tradition hat.

In einem Land, in dem die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger hauptsächlich als Chance (miß-)verstanden werden, alle vier Jahre einmal in der Wahlzelle den Stimmzettel anzukreuzen, muß ein solches Ansinnen auf Widerstand stoßen: Die Parteien, so die Schlußfolgerung, wollen es sich richten, wollen — ungestört vom Wähler — einfach ein Jahr länger ihre Ruhe haben.

Eine Verlängerung der Legislaturperiode ohne andere, neue Rahmenbedingungen könnte tatsächlich solchen Hintergedanken folgen. Und dieser Rahmen muß gleichzeitig geschaffen werden. Weil er fehlt, weil darüber über-

haupt nicht gesprochen wird, ist die Eile doppelt verdächtig.

Voraussetzung Nummer eins muß eine Personalisierung unseres Wahlrechtes sein, die mehr Konkurrenzdruck in die Politik bringt.

Voraussetzung Nummer zwei ist eine Stärkung der Elemente der direkten Demokratie, vor allem eine Verknüpfung erfolgreicher Volksbegehren ab einer Min-

destanzahl von Unterzeichnern mit einer nachfolgenden Volksabstimmung, die für den Gesetzgeber bindend sein müßte.

Voraussetzung Nummer drei ist eine Parlamentsreform, die mit der Abschaffung des Fraktionszwanges beginnt und bei der Stärkung der Minderheitsrechte endet. Keinesfalls soll die Mehrheit — von wem immer gestellt — die Kontrolltätigkeit des Parlaments (wie bisher) beeinträchtigen oder unterbinden dürfen.

Zusammen mit der Verlängerung der Legislaturperiode ist das in einem Paket verschnürt. Und nur als Paket ist der Problemkreis zu behandeln.

Das alles würde freilich das Leben der politischen Parteien in einer fünfjährigen Legislaturperiode nicht einfacher und bequemer machen, im Gegenteil. Leicht möglich aber, daß sie unter diesen Umständen die Lust an einer längeren Arbeits- und Gesetzgebungsperiode verlieren. Das wiederum gäbe jenen recht, die heute opportunistische Hintergedanken vermuten.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die Karten auf den Tisch zu legen: Geht es um weniger Wahlen oder um mehr Entscheidungsspielraum in der Politik?

Richtig ist, daß bei einer Verlängerung der Legislaturperiode

von vier auf fünf Jahre im Laufe zweier Jahrzehnte ein Wahlgang wegfiele.

Richtig ist aber auch, daß die Kurzatmigkeit unserer Politik maßgeblich von Wahlterminen bestimmt ist, daß schließlich die Wahlkämpfe immer länger werden.

Falsch - jedenfalls unter den hier vertretenen Rahmenbedingungen — wäre das Wort vom Demokratieabbau im Zusammenhang mit einer längeren Gesetzgebungsperiode. Sind die Vorarlberger mit fünf und die Oberösterreicher mit sechs Jahren Landtagsperiode deshalb entmündigte Wähler?

Falsch sollen die guten Erfahrungen in den Bundesländern sein, die allesamt längere Legislaturperioden kennen?

Der Einwand, daß mit der Länge der Gesetzgebungsperiode die Gefahr vorverlegter Wahlen zunimmt, daß also im Endeffekt nichts erreicht wird, taucht zwar regelmäßig in der Diskussion auf, erweist sich aber als wenig stichhaltig. Ein Blick auf die Landtagswahltermine seit 1945 beweist, daß eine Abkürzung der Legislaturperiode durch Neuwahlen durchaus seltene Ausnahme bildet, während auf Bundesebene wesentlich öfters mit Wahlterminen jongliert wurde.

Sinnvoll wäre es daher, einen Auflösungsbeschluß des Nationalrates nicht der Mehrheit allein zu überlassen, sondern ihn an eine Zweidrittelmehrheit zu binden. Auch eine solche Maßnahme könnte dazu beitragen, das permanente Wahlkampfklima, das zu Recht kritisiert wird, abzuwiegeln.

Die Zeit bis zum Wahltag im April 1987 reicht aus, auch die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Legislaturperiode zu schaffen. An den Parlamentsparteien liegt es, sie zu nützen. Sonst reicht es uns.

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