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Weder Macht noch Herrlichkeit

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Das vornehmste Prvilegium, das dem schwedischen König nach Einführung der neuen Verfassung bleibe, werde es sein, die Straßen ungestraft bei Rotlicht überqueren zu dürfen! Das behauptete jedenfalls einer der bekanntesten schwedischen Humoristen in einem seiner täglichen Beiträge zum Zeitgeschehen. Und diese Behauptung enthält sogar noch eine Untertreibung.

Im neuen Grundgesetz, das am 28. März dem schwedischen Reichstag vorgelegt worden ist, hat der künftige Monarch eine noch viel-bescheidenere Stellung als der regierende neunzigjährige König. Gustaf VI. Adolf wird keines seiner Rechte verlieren, solange er lebt. Während der Verhandlungen, die sich über viele Jahre erstreckten, sind die sozialdemokratischen und liberalen Verfasser des neuen Grundgesetzes auch in anderer Hinsicht den monarchistisch gesinnten Konservativen entgegengekommen: der König wird auch künftig für keine seiner Handlungen oder Unterlassungen angeklagt werden können, in seinen Entschlüssen also frei sein. Sein Einkommen wird nicht besteuert, er kann also auch nicht finanziell unter Druck gesetzt werden; im Falle einer Krankheit oder einer Auslandsreise wird die Regentschaft von einem Mitglied des Königshauses übernommen und im Kriegsfall wird der Monarch keinen Militärdienst zu leisten haben — wenn er selbst es nicht will. Der König und seine Familie werden auch, wie bisher, für Repräsentationszwecke über einige Schlösser verfügen können, die dem Staate gehören.

Das neue Grundgesetz muß von zwei aufeinanderfolgenden Reichstagen angenommen werden, wenn es Gültigkeit erhalten soll, das heißt, vom jetzt amtierenden Reichstag und von dem, der am 16. September gewählt werden wird. Über die Zusammensetzung des kommenden Parlaments weiß man noch nichts, doch vieles spricht dafür, daß die Sozialdemokratie in ihm eine schwächere Position haben wird als bisher. Einen starken Mandatszuwachs erwartet die Zenterpartei, die zwar bisher in Verfassungsfragen der Sozialdemokratie nahestand, unter der Führung des nach rechts tendierenden Torbjörn Fälldin jedoch alles andere als eine Marionette der Sozialdemokraten geworden ist. Es ist zwar wahrscheinlich, aber doch nicht sicher, daß die neue Verfassung angenommen wird.

Wird aber dieses Grundgesetz auch vom kommenden Reichstag angenommen, dann Wird nicht mehr der König „das Reich regieren“, wie es jetzt formell heißt, sondern die Regierung. Die Regierungsbeschlüsse werden nicht mehr im königlichen Conseil, sondern in Kabinettssitzungen gefaßt werden. Die Minister werden nicht mehr vom König, sondern vom Parlament über Vorschlag seines Präsidenten ernannt werden. Der König wird nicht mehr Oberster Befehlshaber der Wehrmacht sein, und wenn das Königshaus erlischt, wird der Reichstag einen „Vorsteher des Reiches“ bestimmen, der nicht dem Königshaus anzugehören braucht. (Man kann in dieser Bestimmung eine Chance für den Fortbestand der Monarchie sehen, genausogut aber auch ein Todesurteil.)

Sicher ist, daß man Kronprinz Carl Gustaf als den Nachfolger Gustafs VI. Adolf akzeptiert hat, aber er wird ein König ohne Macht und Herrlichkeit, ein Staatsoberhaupt von Gnaden der Parteien sein.

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