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Konig, Konigin oder Republik?

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Vor dem Schloß Drottningholm, westlich von Stockholm, sammeln sich kleine Gruppen von Besuchern, unterhalten sich gedämpft und schauen mit besorgten Blicken zu den verhängten Fenstern des Schlosses hinauf: Der König ist krank. Zwar hat der Leibarzt eben erst mit beruhigenden Worten das Schloß verlassen, doch der Monarch war im November 86 Jahre alt geworden — und sein jüngerer Bruder Wilhelm ist bereits vor einigen Jahren gestorben ...Seit einiger Zeit werden die Diskussionen um die Nachfolge König Gustaf VI. Adolfs in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Der König wird seit dem Herbst immer wieder von Krankheitsanfällen heimgesucht, die Last der nun 18 Jahre währenden Regentschaft wird drückender fühlbar. Es läßt sich nicht mehr vermeiden, daß die regierende Partei zum Problem der Nachfolge eindeutig Stellung nimmt.

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Vor dem Schloß Drottningholm, westlich von Stockholm, sammeln sich kleine Gruppen von Besuchern, unterhalten sich gedämpft und schauen mit besorgten Blicken zu den verhängten Fenstern des Schlosses hinauf: Der König ist krank. Zwar hat der Leibarzt eben erst mit beruhigenden Worten das Schloß verlassen, doch der Monarch war im November 86 Jahre alt geworden — und sein jüngerer Bruder Wilhelm ist bereits vor einigen Jahren gestorben ...Seit einiger Zeit werden die Diskussionen um die Nachfolge König Gustaf VI. Adolfs in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Der König wird seit dem Herbst immer wieder von Krankheitsanfällen heimgesucht, die Last der nun 18 Jahre währenden Regentschaft wird drückender fühlbar. Es läßt sich nicht mehr vermeiden, daß die regierende Partei zum Problem der Nachfolge eindeutig Stellung nimmt.

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Thronfolger ist Carl Gustaf, Herzog von Jämtland, am 30. April 1946 auf Schloß Haga geboren. Der Tatsache der monarchistischen Staatsform steht im Parteiprogramm der alleinregierenden Arbeiterpartei die Forderung nach Einführung der Republik gegenüber. Ein Teil der sozialdemokratischen Partei und dar Liberalen verlangt die Einführung der Republik, wobei man einen Thronwechsel als den dafür am geeignetsten Zeitpunkt bezeichnet. Diese republikanische Richtung ist auch in Intellektuellenkreisen stark verankert, dagegen wünschen die Konservativen, ein großer Teil der Bauernpartei und natürlich auch der Land- und der Hofadel die Beibehaltung der Monarchie, doch dürfte kaum jemand bereit sein, wegen dieser Frage auf die Barrikaden zu steigen! Die Entscheidung liegt also bei der Regierungspartei. Diese Partei aber hat alles getan, um der Entscheidung auszuweichen: Sie hat vor vielen Jahren eine Kommission eingesetzt, die die „Stellung des Staatschefs untersuchen“ soll. Bei Vorstößen der Republikaner hat sie immer wieder auf die Arbeit dieser Kommission hingewiesen, die mit ihrer Arbeit nicht fertig wird. Außerdem ist dieser Kommission die Frage „Monarchie oder Republik?“ gar nicht gestellt worden.

Die Führung der Arbeiterpartei hoffte die ganze Zeit, daß schon irgendein Zufall dieses Problem lösen werde. Es ist unschwer zu erkennen, daß man dabei an einen Thronverzicht Carl Gustafs gedacht hat, etwa auf Grund einer bürgerlichen Heirat. Die bisher bekanntgewordenen Romanzen haben deshalb auch die Herzen der Politiker mindestens so heftig schlagen lassen wie die der direkt Beteiligten, doch der Kronprinz ist allen hier gelegten Schlingen geschickt ausgewichen und hat noch dazu erst kürzlich unmißverständlich erklärt, daß er gar nicht daran denke, auf den Thron zu verzichten.

Einen Entscheidungsaufschub erzielte man durch die Heraufsetzung des Regentenalters auf mindestens 25 Jahre, doch dieser Zeitpunkt ist schon in zwei Jahren erreicht, und bis dorthin ist auch eine Regentschaft Prinz Bertils, des Oheims Carl Gustafs, durchaus möglich. Deshalb kam auch aus Jungsozialistenkreisen der Vorschlag, das Alter der Regenten auf mindestens 30 Jahre festzusetzen ...

Drei Kronen in Blaßrot

In dieser Situation bekamen einige Politiker den Einfall, die 1943 geborene Prinzessin Christina als Thronfolgerin vorzuschlagen. Die Konservativen brachten einen entsprechenden Antrag im Parlament ein, mit der Einschränkung, daß im aktuellen Fall doch Carl Gustaf die Nachfolge antreten solle, da er für diese Aufgabe vorbereitet worden sei. Der konservative Antrag wurde abgelehnt, obwohl viele Sozialdemokraten recht gern für Christina gestimmt hätten. In derselben Woche aber präsidierte Kronprinz Carl Gustaf zum erstenmal an Stelle des erkrankten Königs beim sogenannten „Königsmittag“ im Schloß, der einmal jährlich für verdiente schwedische Bürger gegeben wird! Die Zeit drängt, und die Führung der Arbeiterpartei befindet sich immer noch in derselben Situation: Man hat einen Kronprinzen, den man gern loswerden möchte, eine Monarchie, deren Beseitigung von einem Teil der eigenen Partei verlangt wird, einen Staatsminister, der wohl „Es lebe die Königin!“ rufen möchte, aber niemals „Es lebe die Republik!“, und einen alten, kranken König, dem man ein Alter von hundert Jahren und mehr wünscht, um nur einer peinlichen Entscheidung enthoben zu sein — man ist, kurz gesagt, eine republikanische, monarchistische, sozialdemokratische Arbeiterpartei, die drei Kronen im blaßroten Wappen führt! Im Schloß Drottningholm bei Stockholm aber werden die Besuche der Ärzte immer häufiger, und es geht das Gerücht um, daß die Zeit der aufgeschobenen Entscheidungen endgültig vorbei ist!

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