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Die Hochzeit der Feinde

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Die Monarchisten aus Uberzeugung sind in den Niederlanden wohl ebenso selten wie die feurigen Republikaner. „Nicht der Vorzug für die Monarchie stützt den Thron der Oranier, sondern vielmehr die Anhänglichkeit an die Dynastie“, schreibt der Historiker Rooymans mit Recht. „Stürbe das Haus Oranien aus, wir würden wahrscheinlich ohne viel Federlesens die Republik ausrufen; jedenfalls hätte kein anderer Anwärter auf den Thron gute Chancen.“ Unter den Oraniern haben die Niederlande einst ihre Unabhängigkeit errungen. Seitdem ist Oranien das Symbol der Freiheit schlechthin. Darüber hinaus geben Nützlichkeitsgründe den Ausschlag. Eine politisch völlig unabhängige, für keine Partei eingenommene Persönlichkeit, wie der König oder die Königin eine ist, wäre kaum zu finden. Ein prominenter Führer der Sozialisten formulierte es neulich so: „Die konstitutionelle Monarchie mit den Oraniern ist für uns nach wie vor die einzig mögliche Staatsform.“ Und er fügte spottend hinzu: „Eine Republik mit einem Luns zum Beispiel als Präsidenten, welcher gute Demokrat und Sozialist ertrüge das schon.“ Überdies stellt die Krohe die beste Gewähr dar für die Einheit des Landes.

Solche Erwägungen machen es verständlich, daß gelegentliche Spannungen zwischen Volk und Dynastie die heftigsten Emotionen im Land auszulösen vermögen. Und die Prinzessinnen von Oranien scheinen es in den letzten Jahren darauf abgesehen zu haben, die traditionell guten Beziehungen einer Zerreißprobe zu unterwerfen. Auf die „Affäre Irene“ folgte die noch gefährlichere um die Thronfolgerin.

Nachdem der Widerstand gegen den Deutschen Claus von Arnsberg als künftigen Gemahl der Kronprinzessin bei seiner ersten öffentlichen Vorstellung anläßlich der Verlobung glücklich überwunden schien, machten sich die verletzten Gefühle und Ressentiments kurz vor der offiziellen Behandlung des Heiratsgeneh-migungsgesetzes im Parlament und der Naturalisierung des deutschen Heiratskandidaten im Volk wieder bemerkbar. Das Für und Wider wurde in leidenschaftlichen Diskussionen und Presseartikeln noch einmal erörtert.

Die aktiven pazifistischen Sozialisten vor allem bäumten sich auf. Sie gründeten einen Ausschuß, das Komitee Bittschrift Staaten General, das 65.000 Unterschriften sammelte und solcherweise das Parlament dringlich ersuchte, die verlangte Heiratsgenehmigung zu verweigern. Zwar hatte man in diesen Kreisen auf eine halbe Million Unterschriften gerechnet, die Haltung der Presse aber, die sich weigerte, diesbezügliche Anzeigen aufzunehmen.wurde für diesen Mißerfolg verantwortlich gemacht. Außer den pazifistischen Sozialisten agierten die alten Widerstandskämpfer und ehemaligen KZ-Häftlinge gegen Claus von Arnsberg. Doch auch von anderen Seiten kamen Bedenken.

Das Komitee Monarchie schlug der Regierung vor, der Prinzessin Mor-griet, die sich mit dem Bürger Pieter van Vollenhoven verlobte, die Thronfolgerechte zu übertragen. Der Bund der Betagten riet zu einer allgemeinen Volksbefragung. Die antifaschistische Bewegung verlieh ihrem Widerstand Nachdruck, indem sie drohte, unter Umständen die Totengedenkfeier des 4. Mai in Zukunft nicht mehr abzuhalten und die nationalen Krieg9monumente als sinnlose Denkmäler schleifen zu lassen.

Hatten die erneut eingezogenen Erkundigungen Belastendes über Claus von Arnsberg an den Tag gebracht? Die jüngsten Parlamentsdebatten zeigten, daß dies nicht der Fall war. Der Widerstand stützte sich überwiegend auf Gefühlsargumente. Natürlich wurden auch andere Meinungen laut. 362 Oranienvereine aus allen Teilen des Landes bekundeten ihre positive Einstellung zu der Vermählung.

Spontane Volksstiimmen drangen an die Öffentlichkeit und bildeten die komische Note in dem oft unerfreulichen Streit der Meinungen. Wunderlich die Reaktion eines jungen Ritters aus der Residenz! Er sandte dem Abgeordnetenhaus das imponierende Bild seines Riesenschwerts mit der Unterschrift: „Mit diesem Schwert werde ich die Prinzessin vor allen Gefahren zu schützen wissen, auch vor Claus von Arnsberg.“

Rührend in ihrer Naivität die Worte einer alten Dame aus Soest-dijk, dem Wohnsitz der königlichen Familie, die somit die Prinzessin von Jugend auf kennt. Sie lauteten: „Was fällt euch wohl ein? Ihr wollt wohl am Ende die gute Prinzessin Beatrix noch mit eurem Gerede zum Weinen bringen. Und indessen geruhsam euer Pfeifchen schmauchen. Das sähe euch harten Männern ähnlich.“

Die harten Männer haben das dann doch nicht übers Herz gebracht. Ministerpräsident Cals beruhigte in seiner Eröffnungsrede die erregten Gemüter, alle Informationen der Regierung hätten gezeigt, daß vor allem die Einstellung Claus von Arnsbergs nach 1945 einwandfrei gewesen sei. Wie aus Bonn verlautete, habe er sich um eine Stellung bei der Botschaft in Tel Aviv beworben. Das spreche für ihn. Und in stundenlangen Gesprächen habe er, Premier Cals, ihn als einen aufrichtigen, netten Menschen kennengelernt, der die holländische Mentalität verstehe und sich ernsthaft auf seine neuen Aufgaben vorbereite. Man dürfe Zutrauen zu ihm gewinnen, als dem künftigen Prinzgemahl und Prinzen vom Staat. Die Regierung stehe hinter ihm.

Den Gegnern war das nicht genug. Ein Deutscher, der sich als Soldat am Krieg beteiligt habe, sei für die betreffende Position im Staat ein für allemal untauglich. Zur Verdeutlichung ihrer Ansicht gebrauchten sie das Bild eines Athleten, der ohne seine Schuld invalide geworden sei. In Wettkämpfen setze man ihn nicht mehr ein. Die Tatsache leuchtete jedem ein, das Bild aber fand man wenig zutreffend.

Als ein Stein des Anstoßes lag auf dem Regierungstisch ein Brief, der in der Presse schon viel Aufhebens gemacht hatte. Der sozialistische Fraktionsführer hatte ihn verfaßt, und er sandte ihn an 34 Menschen im Lande, die ihn alle um Auskunft gebeten hatten in der Sache Beatrix-Claus. Der Brief sollte geheim bleiben, fand dann aber doch den Weg in die Öffentlichkeit.

In diesem Schreiiben nannte der offenherzige Abgeordnete nicht nur die Prinzessin Beatrix eine höchst eigensinnige Persönlichkeit, die man strengstens im Auge behalten sollte — das könnte noch hingehen —, er beleidigte aber auch einige prominente katholische Politiker, und das wird schon ernster genommen. Von Ex-Premier De Quaay zum Beispiel hatte er geschrieben, daß dieser ehrenhafte Mann 1940 allzu gefügig mit den Deutschen einen Vergleich eingegangen sei. Zwar hatte der Briefschreiber im Laufe der Wochen die meisten seiner Äußerungen wieder höflich zurückgenommen und überall seine Entschuldigungen angeboten, doch zu spät.

Die Katholiken konnten es nicht ohne weiteres von dem neuen Koalitionspartner hinnehmen, um so weniger, weil sie wußten, daß er an der Regierungsteilnahme interessiert sei. Die Gelegenheit, ihm einen gelinden Schock zu versetzen, ließen sie daher nicht ungenutzt. Der katholische Wortführer sprach sogar von einem Tiefstand in den politischen Verhältnissen der beiden Partner und von eimiem schwarzen Schatten, der auf die Zusammenarbeit gefallen sei und diese wohl kaum dadurch fördern werde.

So bekam die Sitzung dann doch noch einen politischen Akzent. In etwas gereizter Stimmung schritt man zur Abstimmung. Mit 81 zu 11 Stimmen erhielten Beatrix und Claus ihre heißersehnte Vermählungsgenehmigung. Das soll wieder nicht heißen, daß die große Mehrheit dieser Entwicklung begeistert gegenübersteht. Man kann eher sagen, daß die 11 nicht unbedingt dagegen sind; sie gaben dem Wunsch der Thronfolgerin nach, um Schlimmeres zu vermeiden.

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