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Carl Schmitt, die „katholische Verschärfung” und die Nazis

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Carl Schmitt (1888-1985) war einer der berühmtesten und umstrittensten Staatsrechtslehrer seiner Generation: Er, die Weimarer Republik und der politische Katholizismus waren zutiefst verwoben. Sein Ansehen, das sich auf Publikationen wie „Politische Romantik” (1919) oder „Der Begriff des Politischen” (1927) gründete, führte zu Rerufungen nach Ronn und Berlin; seine schonungslose Kritik des Weimarer Parlamentarismus und seine frühe „Selbstgleichschaltung” mit dem Nationalsozialismus bewirkten aber, daß er vor allem im innerkirchlichen und theologischen Bereich bisher nur unzureichend analysiert und rezipiert wurde.

Der Einfluß auf Schmitts Denken und sein späteres Engagement für das Dritte Reich sind erst seit Mitte der achtziger Jahre in'größerem Umfang Thema der Forschung. In diesem Fragenkomplex dürfte sich allmählich die Meinung erhärten, daß, wie Heinrich Meier schon 1988 feststellte, nicht politische Philosophie, sondern „politische Theologie" die treffende, die einzig angemessene Bezeichnung für Schmitts Lehre (ist). Schmitt gebraucht den Begriff zugleich aber als universal einsetzbare Waffe im Rahmen und zur Beförderung der Zwecke seiner Politischen Theologie”.

Sieht man von der politischen Instrumentalisierung des Katholizismus ab, ist nicht zu übersehen, daß Schmitts staatstheoretisches und juristisches Denken in einer persönlichen Verwurzelung im Glauben und in der Frömmigkeit seiner Kindheit gründet. In einer Selbstinterpretation, die sein problematisches Verhältnis zur Religion und ihre Verquickung mit Politik pointiert zusammenfaßt, schreibt Schmitt: „Ich bin Katholik nicht nur dem Bekenntnis, sondern auch der geschichtlichen Herkunft, wenn ich so sagen darf, der Rasse nach”. Und 1948 macht er eine Tagebucheintragung, die erst recht Anlaß zu weiteren Interpretationen gibt: „Das ist das geheime Schlüsselwort meiner gesamten geistigen und publizistischen Existenz: das Ringen um die eigentlich katholische Verschärfung”. Spricht Schmitt von einem „geheimen Schlüsselwort” und legt er somit seinen Interpreten eine Spur, so gibt er selber doch nicht an, was er unter einer „eigentlich katholischen Verschärfung” versteht:

Meint er mit Katholizität ein Synonym für katholische Kirche? Ist ihm der Katholizismus Gegenstand der Verschärfung, oder ist er das aus politischer Einsicht gedachte religiöse Instrument „gegen die Neutralisierer, die ästhetischen Schlaraffen, gegen Fruchtabtreiber, Leichenverbrenner und Pazifisten”? Sein enormer Einfluß auf Politik, verschiedene Humanwissenschaften und auch auf kirchliche Amtsträger und theologische Positionen der Gegenwart macht es notwendig, das „geheime Schlüsselwort” zu entschlüsseln. Dies nicht zuletzt, um verborgene faschistoide Tendenzen auch in seinen Epigonen zu entdecken, und vor allem, um christliche Religion von ihrer politischen Instrumentierung zu befreien und zu schützen. Der Katholischen Akademie Rabanus Maurus (Wiesbaden-Naurod) kommt das Verdienst zu, 1993 eine interdisziplinäre Fachtagung von Germanisten, Soziologen, Juristen, Philosophen, Politologen und Theologen zu dieser Leitfrage durchgeführt zu haben, die nun in gedruckter Form vorliegt und die notwendige Auseinandersetzung mit Schmitt vorantreibt.

Struktur und Themenvielfalt ergibt sich aus einer von Schmitt selbst konstruierten Legende seines angeblich einsamen katholischen Sonderweges: „Hier auf diesem Wege der katholischen Verschärfung... blieben alle von mir weg, selbst Hugo Rall. Es blieben mir nur Konrad Weiß und treue Freunde wie Paul Adams.” Diese Selbsteinschätzung erhält ihre präzisere Kontur erst vor dem Hintergrund des politischen und kulturellen Katholizismus der Weimarer Republik. Im ersten Beitrag ortet Karl-Eugen Lonne daher Schmitt in dieser besonderen Spielform des Katholizismus und dokumentiert, wie dieser sich allmählich von Schmitt abwendet. Schmitts positive Charakterisierung der katholischen Kirche ist von vornherein eingeengt: Katholizismus bedeutet für ihn „Ordnung und Disziplin, dogmatische Klarheit und präzise Moral”. Indem er die juristische

Form der Kirche als Repräsentantin Christi hervorhebt, so, daß sie sich im Formalen genügt und darin die Zeiten überdauert, ohne sich wandeln zu müssen, bietet sie Halt in Zeiten historischer Veränderungen und Umwälzungen.

Kirche wird damit zum Bollwerk gegen die Säkularisierung: Diese wird bei Schmitt vorweg negativ akzentuiert und ' mit Privatisierung, Pluralismus, Demokratie und Parlamentarismus parallelisiert. Kirche ist für Schmitt ein Pendant zum idealen Staat, der uneingeschränkte Souveränität und Autorität beanspruchen darf. Da Demokratie sich nur auf eine homogene Gruppe stützen kann, bedeute der Begriff der Demokratie gleichzeitig eine Ausgrenzung von Fremdem.

Dem damaligen Zeitgeist entsprechend findet Schmitt diese Fremden in den Juden. Da wahre Demokratie Identität von Regierenden und Regierten bedeute, in der die nationale Identität durch nichts Fremdes gestört sei, legitimieren sich im Werk Schmitts faschistische Diktaturen als die wahren demokratischen Staaten. Der Diktator wird zum Träger der Identität. Schmitt verknüpft in dieser Weise die Verteidigung des Politischen mit der katholischen Kirche: „Theologische Fragestellungen, Kirche und Katholizismus wurden von ihm vor allem insofern angesprochen, als sie politisch relevant waren” (Lonne).

Lonne zeigt im Anschluß die Kritik an Schmitt auf, die sich von katholischer Seite formierte, etwa in der Zentrumspresse mit Prälat Kaas, oder Ernst Michels scharfe Abgrenzung gegen Schmitts juristisch verengten Begriff des Christentums. Richard Faber und Dietrich Rraun weisen nach, daß Schmitts „katholisierende Privat-, mythologie” (Rarbara Nichtweiß) kaum noch im eigentlichen Sinne als in theologischer Instanz verantworteter Ausdruck einer christlichen Grundposition zu bezeichnen ist. Ihm geht es um eine Instrumentalisierung religiöser Traditionsbestände.

In ihren Reiträgen belegen Reinhard Mehring und Micha Brumlik, daß Schmitt auch bei seinem Antisemitismus aus katholischen Quellen schöpfte, seine intellektuelle Mittäterschaft sich aber nicht zureichend aus religiösen Vorurteilen der christlichen Tradition erklären läßt, sondern seine Kampfpositionen und Feindbegriffe auf eine nicht mehr christlich zu nennende Dämonologie zurückgeführt werden müssen. „Wenn Carl Schmitt sich im Jahre 1936 in einem Beitrag zu einer Arbeitstagung des Nationalsozialistischen Richterbundes zustimmend zu Hitler äußerte, so war dies kein Ressentiment, sondern geäußerte Überzeugung. Schmitts in diesem Aufsatz ausdrücklich hervorgehobene Bemerkung Hitlers aus "Mein Kampf", "Indem ich mich des Juden erwehre, tue ich das Werk des Herrn', erscheint... als gern übernommenes zentrales theoretisches Programm”.

Das Judentum, der jüdische Messianismus wird dem Reaktionär zum Inbegriff einer ordnungsfeindlichen, utopieträchtigen Haltung, jeder Versuch, die unerlöste Schöpfung innerweltlich zu verändern, wird Schmitt zum Judentum. So in den „Aufzeichnungen aus den Jahren 1947-1951” (Glossarium): „Gott ist das ganz Andere? Das verkünden die Theologen. Na ja, Theologen christlicher Kirchen. Staatsbeamtete Opfer des Faschismus, Überprivilegiert und potentielle Nobelpreisträger. Gott das ganz Andere? Gott ist das ganz Identische; Gott ist Ich.”

Mit dieser theologischen Grundposition wird nochmals die ideologische Verkürzung des Christlichen und Religiösen deutlich: Schmitt geht es um eine Verabsolutierung des Ich, Verfestigung und Zementierung von Herrschaft und Abwehr dessen, was als utopisches und veränderndes Moment die messianische Hoffnung ebenso wie die Erwartung des Reiches Gottes trägt.

Mit Karl-Eugon Lonne kann man das Verhältnis Schmitts zum Katholizismus zusammenfassen: Schmitt „war katholisch allerdings auf eine ganz spezielle und - wie es scheinen will - für die Katholiken der Weimarer Republik verderblich-verführerische Weise, ohne daß er dabei im einzelnen eine entscheidende Wirkung hätte ausüben können. Er stärkte die in Teilen des Katholizismus vorhandenen Tendenzen zu einer autoritären Staatsführung gegen Parlamentarismus, Parteien und Demokratie. Seine Argumentationen und vor allem Schlußfolgerungen waren aber durchweg von einer Schärfe und Unbedingtheit, die über das den meisten Katholiken als denkbar Erscheinende soweit hinaus gingen, daß er kaum eine größere direkte Gefolgschaft unter ihnen gefunden hat”.

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