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Ukraine in der EU: Brüsseler Insider sprechen von Jahrzehnten

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Der Europäische Rat wird Mitte Dezember darüber entscheiden, ob mit der Ukraine Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Seitens der Kommission hofft man auf die Geschlossenheit der 27 Staats- und Regierungschefs. Viele Beobachter halten das für blauäugig.

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Der Europäische Rat wird Mitte Dezember darüber entscheiden, ob mit der Ukraine Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Seitens der Kommission hofft man auf die Geschlossenheit der 27 Staats- und Regierungschefs. Viele Beobachter halten das für blauäugig.

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Wie ausweglos ist die Lage für die Ukraine gegenwärtig? Eine Frage, die sich derzeit wie ein Schatten über das Rahmenprogramm des bevorstehenden Europäischen Rates (14./15. Dezember) legt. Von sieben Tagesordnungspunkten des Forums, innerhalb dessen alle 27 Staats- und Regierungschefs zusammentreffen, lautet einer „Ukraine“; und zwei weitere „Erweiterung“ bzw. „Mehrjähriger Finanzrahmen 2021 bis 2027“ (letztere stehen ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Ukraine). Seitens der Europäischen Kommission ist man auffällig bemüht, Optimismus zu verbreiten. Gleichzeitig ist die Nervosität groß. Es steht zu viel auf dem Spiel.

Vertreter der Kommission argumentieren gegenüber einer österreichischen Pressedelegation, der auch die FURCHE angehört, dass eine weitere finanzielle und politische Unterstützung der Ukraine alternativlos sei, allen voran dem eigenen Schutz diene. „Die Hilfe für die Ukraine ist keine karitative Maßnahme, sondern es geht um eine Investition in unsere eigene Sicherheit. Wir haben nicht den Luxus einer geografischen Distanz wie andere “, heißt es aus Diplomatenkreisen vor Ort. Man setze weiter auf die Entschlossenheit unter den Mitgliedsstaaten. Einiges spricht dafür, dass diese bröckeln wird. Die Zahl 50 Milliarden (Euro) schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Consilium. Diese Summe braucht es bis 2027, um eine nachhaltige Finanzierung der Ukraine zu gewährleisten. Einerseits sollen damit budgetäre Löcher gestopft werden, andererseits gilt es, die Strukturreformen im Land selbst zu finanzieren (schwerpunktmäßig um es für den EU-Beitritt fit zu machen).

Nicht wenige Staats- und Regierungschefs fürchten innenpolitische Querschüsse (primär aus dem rechten Lager), wenn sie die Gelder widerspruchslos absegnen. Schließlich flossen seit Beginn des Krieges mehr als 91 Milliarden in Form von finanzieller, militärischer, humanitärer und Flüchtlingshilfe aus der EU-Kasse gen Kiew. Diese Zahl beinhaltet auch jene 19,3 Milliarden an Finanzhilfe für 2023, die in regelmäßigen monatlichen Schritten ausgezahlt werden.

Die Bürger fühlen sich überrumpelt

Zudem soll bei dem Treffen darüber entschieden werden, ob der Europäische Rat nun endgültig Beitrittsverhandlungen eröffnen soll – oder eben nicht. Ein Punkt, der eng mit jenem der Finanzierung zusammenhängt. In Bezug auf die Länge und Dauer dieses Weges mache man sich nichts vor, gibt man in Brüssel fast kleinlaut zu. Dennoch sei eine echte Beitrittsperspektive – „das Öffnen der europäischen Tür“ – ein geopolitischer wie geoökonomischer Faktor. Nur durch eine Europäisierung der Ukraine (ebenso jene der Republik Moldau) in politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht könnte die Widerstandsfähigkeit des Landes (der Länder) auf Dauer sichergestellt sein. Nicht weniger als eine „historische Grundsatzentscheidung“ stünde Europa bevor.

Versäumt wurde freilich, den EU-Bürgerinnen und -Bürgern dieses Verfahren transparenter zu kommunizieren. Viele fühlten sich nahezu überrumpelt, als die Bilder vom Besuch der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei Wolodymyr Selenskyj um die Welt gingen. Von der Leyen wollte den ukrainischen Präsidenten persönlich darüber informieren, dass die Voraussetzungen für EU-Beitrittsverhandlungen fast vollständig erfüllt seien, ein Beitritt „in Reichweite“ sei. Für jene, die das genaue Prozedere eines Beitrittes nicht im Detail kennen, hörte sich diese Botschaft so an, als würde in Kürze ein Land im Kriegszustand mit mehr als 40 Millionen Einwohnern, das nach wie vor mit schweren Korruptionsproblemen zu kämpfen hat, Teil der Europäischen Union werden. Nicht zuletzt für die Ukrainer selbst. Ein schwerer Kommunikationsfehler seitens der Kommission.

Es ist kein Geheimnis, wie viel Geld, Arbeitsplätze und sonstige Ressourcen dieser Schritt beanspruchen würde. Die entstandene Unsicherheit innerhalb der EU-Bevölkerung wussten vor allem Rechtspopulisten wie der Niederländer Geert Wilders, aber auch Österreichs FPÖ für sich zu nutzen.

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