Europa braucht Ehrlichkeit in den Krisen

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Angesichts des massiven Vertrauensverlustes ist von der Politik eine Transparenzoffensive nötig. Und wegen der vielfältigen Krisen eine Abkehr vom EU-Einstimmigkeitsprinzip. Ein Gastkommentar.

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Angesichts des massiven Vertrauensverlustes ist von der Politik eine Transparenzoffensive nötig. Und wegen der vielfältigen Krisen eine Abkehr vom EU-Einstimmigkeitsprinzip. Ein Gastkommentar.

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Dieser Tage wünschen viele einander „einen schönen Sommer!“. Ein paar unbeschwerte Wochen hätten sich die Österreicherinnen und Österreicher redlich verdient. Stattdessen hagelt es weiter bedrückende Meldungen. Nicht wenige haben für sich entschieden, den inneren Rollbalken herunterzulassen und jede Form von Nachrichten präventiv einfach nicht mehr zu konsumieren. Das ist subjektiv verständlich. Aber die Schlüsselfrage bleibt: Was können wir tun, damit es für uns in den kommenden Monaten und Jahren kein wirklich böses Erwachen gibt?

Trotz der vielbeschworenen Politikverdrossenheit erlebe ich allerorten eine Politisierung, ein Comeback des Wunsches, sich an der Willensbildung in der Gesellschaft zu beteiligen. Zum Teil sehr vehement und ungeduldig, alles in allem aber von verantwortungsvoller Sorge und Neugierde getragen. Sehr oft begegne ich der drängenden Frage: Warum hat „die Politik“ nicht rechtzeitig vorgesorgt, ja – manche sagen es auch geradeheraus – „versagt“? Etwa in der Frage der Energie-Abhängigkeit von Russland und bei der Einschätzung der politischen Gefährlichkeit von Wladimir Putin.

Zeitgleich erleben wir in Österreich einen bedrohlichen Vertrauensverlust in die politischen Parteien und handelnden Personen. Dieser Verlust wird wohl nur durch eine massive Transparenzoffensive, einen neuen Stil des Miteinanders und vor allem Ehrlichkeit in den politischen Debatten zu reparieren sein.

Falsche Einschätzungen und Feigheit

Es steht uns deshalb allen in der Politik gut an zuzugeben, dass wir manches nicht zeitgerecht im Blick hatten, auch falsch eingeschätzt haben oder zu feig waren. In einer aufrichtigen Debatte gibt es wohl nur wenige, die von sich zu Recht behaupten können, sie hätten das alles so kommen sehen. Ich habe es zum Beispiel schlicht nicht mehr für möglich gehalten, dass wir noch mal einen solchen barbarischen Angriffskrieg auf europäischem Boden erleben werden – und die friedliche Neuordnung Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit militärischen Mitteln bekämpft wird.

Was jetzt aber am meisten zählt, ist der gemeinsame Blick nach vorn und die ehrliche Anstrengung, diese vielfältigen Krisen so gut wie irgend möglich zu bewältigen. Dafür gibt es auf europäischer Ebene viel mehr mutmachende Initiativen und Ideen als breit bekannt ist. Mit dem Programm „Next Generation EU“ hat die EU ihr laufendes Budget auf 2000 Milliarden Euro aufgestockt. Dieses macht nun EU-weit zukunftsweisende Investitionen in einem historisch einmaligen Umfang möglich. Damit soll das wichtigste Ziel für die kommenden Jahre mit Leben erfüllt werden: Europa wird grüner, digitaler und sozialer.

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