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Meldegesetz „mit Bauchweh"

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Vorerst hält die Einigung der Koalitionsparteien über die Reform des Meldewesens, die Skepsis aber bleibt.

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Vorerst hält die Einigung der Koalitionsparteien über die Reform des Meldewesens, die Skepsis aber bleibt.

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Die Einigung über das Meldegesetz ist da", konstatiert OVP-Klubobmann Heinrich Neisser im FURCHE-Gespräch. Am 12. April sollen die entsprechenden Formulierungen der Regierungsvorlage (siehe FURCHE 14/1994) den parlamentarischen Verfassungsausschuß passieren. Einige Fragezeichen bleiben, wie Neisser einräumt, dennoch bestehen: So ist etwa die Datenweitergabe des - laut Gesetzesentwurf in Hinkunft am Meldezettel bekanntzugebenden - Religionsbekenntnisses umstritten. Bedenken gebe es vor allem dagegen, daß ausgerechnet die Sicherheitsbehörden die Religionszugehörigkeit der Staatsbürger via zentralem Datenregister auf Knopfdruck abrufbar haben.

Ein Signal für das grundsätzliche Verhältnis zwischen Staat und Kirche ortet hingegen Michael Wilhelm, Sekretär der Bischofskonferenz: Mit der Aufnahme des Religionsbekenntnisses in den künftigen Meldezettel „leistet die Koalitionsregierung einen Offenbarungseid in der Frage, wieviel Religion die Öffentlichkeit braucht". Und die angepeilte Lösung sei „ein immerhin akzeptables Fundament". Daher seien sowohl die österreichische Bischofskonferenz wie auch die meisten übrigen in Österreich gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften njit dem „Verhandlungsergebnis vorläufig zufrieden".

„Nicht die Religionsgesellschaften wollten etwas erkämpfen, sondern der Staat mußte sich nach einer Ersatzlösung umsehen", skizziert Wil-

helm im FURCHE-Interyiew den Ausgangspunkt der Überlegungen. Obendrein betreffe die Causa Kirchenbeitrag nicht nur die Katholische, sondern auch die Evangelische Kirche AB und HB sowie die Altkatholische Kirche. In erster Linie gehe es jedoch nicht um die kirchlichen Finanzen, sondern „um eine Ersatzleistung für die seit Jahren weggefallenen Haushaltslisten". Vor Jahren habe sich der Staat mit den Haushaltslisten bereit erklärt, die Kirchen bei der Einhebung des Kirchenbeitrags zu unterstützen.

Als Irrtum bezeichnete Wilhelm die Interpretation, mittels Nicht-Ausfüllen oder Falsch-Deklaration des Religionsbekenntnisses auf dem Meldezettel künftig dem Kirchenbeitrag entfliehen zu können. Zum einen seien ohnedies rund 85 Pro-

zent der Katholiken auf Dateien in den Pfarren erfaßt, zum anderen diene die Angabe des Religionsbekenntnisses auf dem Meldezettel ohnedies nur dazu, „verbleibende restliche Unsicherheiten bezüglich des Rehgionsbe-kenntnisses" zu klären. Für Wilhelm ist der Zeitpunkt gekommen, „in einer Zeit des Abdrän-gens der Religion in die Privatsphäre seitens der Öffentlichkeit, also auch des Staates, hier ein Zeichen zu setzen, daß dem Staat die Kirchen

nicht gleichgültig sind". „Wenn Kirche und Religion eine öffentlichrechtliche Stellung und Funktion haben sollen, wieviel ist dies dem Staat auch wert an Unterstützung?", fragt der Sekretär der Bischofskonferenz.

Die „Frage, wieviel Kirche braucht der Staat, wieviel Staat braucht die Kirche?" müsse zudem im gesellschaftpolitischen Kontext einer neu entflammnten Werte-Diskussion gesehen werden, betont Wilhelm. Die Frage, wieviel Religion die Öffentlichkeit brauchte, hätten „die Regierangsparteien ohne Wenn und Aber mit dieser kürzlich getroffenen Einigung bewiesen", erklärt Wilhelm. Trotzdem bleibe ein „bißchen Bauchweh" zurück, so Wilhelm. Denn einerseits gebe es eine „zunehmende Deklarationsun-willigkeit", andererseits „erhalten die Kirchen nur mehr halbe Fakten zur Berechnung des Kirchenbeitrags, da auf dem künftigen Meldezettel weder Familienstand noch Beruf" anzugeben seien.

KEINE REKLAMATIONEN?

überrascht ist ÖVP-Klubchef Neisser auch’ darüber, daß Niederösterreichs Landespolitiker die umstrittene „Hauptwohnsitzregelung" samt geplantem Reklamationsverfahren bisher widerspruchlos akzeptiert haben: „Das wundert mich." Denn dabei geht es darum, daß mehrfach -also etwa gleichzeitig in Wien und in Niederösterreich - gemeldete Bürger in Hinkunft nur mehr einen Hauptwohnsitz haben können. Will die betreffende Gemeinde einen mehrfach gemeldeten Bewohner für sich (und damit für die Berechnung des Finanzausgleiches) reklamieren, entscheidet letztlich - laut Erläute-rangen des Gesetzesentwurfes - der Landeshauptmann des „gegnerischen" Bundeslandes. Im Klartext: will zum Beispiel Klosterneuburg einen auch in der Bundeshauptstadt gemeldeten Einwohner für sich beanspruchen, entscheidet darüber der Wiener Landeshauptmann.

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