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Mechanische Lösungen

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Die Familie ist nicht allein eine gesellschaftliche Einheit; ihr Bestand ist durch eine Reihe ökonomischer Fakten wesentlich bedingt, ökonomisch zeigt sich die Familie in der Gestalt des Haushalts. Zur Deckung seiner Aufwendungen bezieht der Haushalt Einkommen. Alle Mitglieder des Haushalts sind Verbraucher, aber nicht alle sind Einkommensbezieher. Wenn etwa nur der Haushaltvorstand Einkommen bezieht, muß dieses auf die nurkonsumierenden Haushaltangehörigen mit aufcjteteilt werden, so daß man aus der Größe des Einkommens eines Lohnempfängers keineswegs auf seinen oder seiner Familie Wohlstandsgrad schließen kann. Eine bloß mechanische Betrachtung eines Einkommens ohne Berücksichtigung der Gesamtbedürfnisse einer Familie bietet daher so gut wie keinen Erkenntniswert. Zu beachten ist ferner die von der Nationalökonomie vorgenommene Unterscheidung der Bedürfnisse in elastische und in unelastische. Der elastische Bedarf (etwa repräsentiert durdi die sogenannten Luxusbedürfnisse) kann bei Preisänderungen lasdi reagieren. Eine Preiserhöhung wird mit Konsumverzicht ohne Gefährdung der menschlichen Existenz beantwortet. Der unelastische Bedarf dagegen ist bei Preisänderungen relativ unbeweglich. Bei Erhöhung der Preise der Grundnahrungsmittel w'rd der Verbraucher nidit ohne weiteres mit einem Konsumverzicht antworten können. Der unelastische Bedarf ist also Zwangsbedarf. Wenn ein Lediger S 2000.— verdient, muß er beispielsweise 60 Prozent des Einkommens der Dek-kung des Zwangsbedarfs widmen, ein Familienvater mit drei Kindern hat aber bei gleichem Einkommen 95 Prozent für den Zwangsbedarf zu reservieren. Für den Erwerb von „Kulturgütern“ stehen

daher dem Familienvater insgesamt S 100.—, das ist pro Person S 20.—, zur Verfügung, dem Ledigen aber S 800.—, das heißt das Vierzigfache.

Bei dem Lohn-Preis-Abkommen bevorzugt man nun die mechanischen Lösungen und nimmt auf die spezifischen Bedürfnisse der Familie nur am Rande Rüdesicht. Das war leider auch beim letzten Abkommen noch weitgehend der Fall.

Der seinerzeit schon vom Kanzler Seipel geforderte Indexlohn, der die Grundlage des gesamtösterreichischen Entlohnungssystems geworden ist, hat auch den Sozialbedarf zum Gegenstand der Abgeltung gemacht. Grundsätzlich ist das Entgelt Leistungsentgelt geblieben, in dem nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen errechneten Lohn kann der Bedarf der vom Lohnempfänger versorgten Personen nicht abgegolten werden. Ohne auf das Kapitel des „Familienlohnes“ näher einzugehen, kann man festhalten, daß heute in Österreich ein solcher Familienlohn tatsächlich bereits gezahlt wird, und zwar in dreifacher Form: indirekt als Steuerermäßigung, als Kinderbeihilfe und in der Form spezifischer Begünstigungen etwa bei Schulgeldzahlungen, durch die kostenlose Mitversicherung der Familienangehörigen in der Zwangsversicherung und als Kinderzulage bei den Bundesangestellten.

Die steuerliche Begünstigung der Familie ist im allgemeinen heute wohl fortgeschrittener als vor 1938. Trotzdem hätten im letzten Lohn-Preis-Abkommen die Grundsätze der Steuergerechtigkeit und Steuergleichmäßigkeit in ihrem Bezug auf die Familie noch mehr berücksichtigt werden müssen. Wenn zum Beispiel der Familienvater zwei Ein';ünfte hat, wird seine zweite Lohnsteuer sofort von einem um

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