Wenn irgendwann in nächster Zeit der Appetit auf Neuwahlen zum Nationalrat wachsen sollte, wollen wir (wiewohl heftig versucht) nicht spotten, weil diese Idee schon ein Jahr nach Verlängerung der Gesetzgebungsperiode von vier Jahren auf fünf akut geworden ist. Aber es soll ein Preis für solche Stümperei gezahlt werden: Entweder beide Großparteien einigen sich vor dem letzten Fußtritt füreinander noch auf eine Wahlrechtsänderung, oder die politische Öffentlichkeit einigt sich endlich auf eine bisher immer wieder vergrätzte Selbstverständlichkeit: nämlich dass jede im Nationalrat vertretene Partei als regierungsfähig zu gelten hat.
Ein maßvolles Mehrheitswahlsystem hätte keine Großpartei zu fürchten: Eine der beiden wäre immer in der Regierung. Das würde eine Koalition nicht grundsätzlich ausschließen: nicht selten, wenn eine knappe Mehrheit zu prekär erscheint, wäre sie sinnvoll. Erstmals könnte eine kleinere Partei sogar für eine Verfassungsänderung entscheidend sein! Derzeit traut sich keine Großpartei damit heraus - hoffend, dass die andere es tut und man sich dann den Kleinen als deren Freund (und künftiger Koalitionspartner) andienen kann.
Bleibt jedoch alles beim unbefriedigenden Iststand, sollte unbestritten sein, dass jede ins Parlament gewählte Partei prinzipiell als Regierungspartnerin in Frage kommt. Das müsste für Rot-Blau und Rot-Grün genau so gelten wie für Schwarz-Blau oder Schwarz-Gün. (Fehlt eine Farbe? Nicht wirklich.)
Ein neuerlicher Zwang zur Großen Koalition ist nach der Art, wie beide Parteien diese an die Wand gefahren haben, selbst für vermeintlich unbekehrbare Anhänger dieser Regierungsform (ich zähle mich seit 1945 dazu) nicht mehr zumutbar. Oder bringen Personen wie Christoph Leitl das Versöhnungswunder tatsächlich noch einmal zustande?
Der Autor ist freier Publizist.
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