"Anti-europäische Reflexe darf es nicht geben"

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Die Sanktionen gegen Österreich, die Bemühungen um die Aufhebung und die geplante Volksbefragung waren Thema eines Gesprächs von Kardinal Christoph Schönborn mit Journalisten. Hier die wichtigsten Aussagen.

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Die Sanktionen gegen Österreich, die Bemühungen um die Aufhebung und die geplante Volksbefragung waren Thema eines Gesprächs von Kardinal Christoph Schönborn mit Journalisten. Hier die wichtigsten Aussagen.

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EU-Sanktionen: "Es ist unbestritten, dass die Verantwortlichen der Maßnahmen gegen Österreich heute wissen, dass diese übereilt waren, rechtlich fragwürdig sind und inhaltlich umstritten bleiben. Erst jüngst ist der österreichischen Flüchtlingspolitik im Vergleich zu andern EU-Ländern ein relativ gutes Zeugnis ausgestellt worden. Damit ist natürlich nicht schon alles so geregelt, wie sich das unsere Fachleute von der Caritas wünschen. Aber unbestritten ist auch, dass man dieser Bundesregierung - und ich rede hier von der Regierung und nicht von einzelnen politischen Stimmen - keine Versäumnisse in humanitären Bereichen nachsagen kann.

Zudem wissen unsere 14 EU-Partner, dass ihre Beschlüsse von Anfang Jänner die Arbeiten an der Reform und an der Erweiterung der EU mehr getroffen haben als Österreich ...

Die Idee eines Weisenrates ist für mich ein deutliches Zeichen, möglichst rasch aus dieser Situation herauszukommen. Ich freue mich, dass die Bundesregierung diese Initiative nicht zurückgewiesen hat.

Volksbefragung: Vielen Österreichern ist die Entwicklung zu langsam, zu wenig konkret. Ich verstehe das. Ob die geplante Volksbefragung, die ja als demokratiepolitisches Instrument für ganz andere Anlässe geschaffen wurde, diesen Prozess beschleunigen kann, ist vorerst nicht absehbar. Niemand kann das heute mit letzter Sicherheit beurteilen ... Ob dieses Instrument geeignet und angemessen ist, liegt in der Verantwortung der Bürger. Da sollen sich die Bischöfe nicht direkt einmengen.

Es geht aber um die Gesamtperspektive, und es muss klar sein, dass es nicht zu einer Verstärkung anti-europäischer Tendenzen oder Emotionen kommen darf. Das gemeinsame Werk der Europäischen Integration ist zu kostbar, als dass es aufs Spiel gesetzt werden darf. Wir werden jedenfalls genau darauf aufpassen müssen, dass im Vorfeld keine anti-europäischen Reflexe geweckt und geschürt werden.

Ich persönlich hoffe, dass es in den nächsten Wochen und Monaten von allen Beteiligten - zuerst von den 14 - zu einem Prozess der De-Eskalierung, der Annäherung und der Verständigung kommt. Dann könnte die Volksbefragung, die ja bewusst ein flexibles Szenario vorsieht, in ihrer Fragestellung durch die Wirklichkeit überholt werden.

Kontakte zu franz. Bischöfen: Natürlich habe ich alle möglichen Kanäle zu den französischen Bischöfen zu nutzen versucht. Ich bitte um Verständnis, wenn ich sie nicht im einzelnen anführe, weil sie in einem vertraulichen Rahmen geschehen sind.

Ich kann aber folgendes sagen: Es hat auch ganz offizielle Kontakte mit der französischen Bischofskonferenz gegeben, so wie mit allen anderen europäischen Bischofskonferenzen auch. Ich habe etwa auch in Spanien versucht, die kirchlichen Kontakte bei verschiedenen Gelegenheiten zu nutzen. Es gibt da eine sehr gut existierende und funktionierende kirchliche Vernetzung, die ich in den letzten Monaten "angezapft" habe.

Die Information, die wir daher auf direktem, offiziellem und auch auf persönlichem Weg geben konnten, haben dazu beigetragen, dass es nicht zu einer Eskalation der Worte und der Stellungnahmen gekommen ist, sondern zu einer moderaten Einschätzung. Es ist ja schon etwas Positives, wenn falsche Informationen nicht zu falschen Stellungnahmen führen. Das ist in einigen Ländern durch die zum Teil einseitige mediale Präsentation eine mögliche Gefahr gewesen.

Auf der anderen Seite bitte ich auch - und das muss gerade in Österreich immer wieder gesagt werden - nicht zu vergessen, dass besorgte Stellungnahmen unserer Partner auch verdienen, ernst genommen zu werden.

Gefahr der Polarisierung: Ich kann nur meine Worte vom 5. Februar dieses Jahres wiederholen: Ich appelliere an alle politisch Verantwortlichen, nicht wieder jene Gräben aufzureißen, die es in der Geschichte unseres Landes gegeben hat. Dabei geht es vor allem um die Behutsamkeit der Worte und um ein sehr geschärftes Bewusstsein für die Möglichkeit von Wirkungen von Worten ... Eine Regierung ist an ihren Taten zu messen. Die jetzige Bundesregierung muss - wie immer sie zusammengesetzt sein mag, wer immer die politischen Kräfte sind, die sie bilden - mit Situationen fertig werden, die einfach gegeben sind.

Es geht dabei nicht nur um die EU-Partner. Es geht auch darum, dass wir "die Wende zum Weniger" schaffen, wie es Theo Sommer vor einigen Wochen in der "Zeit" formuliert hat. Das ist ein politischer Auftrag, um den wir nicht herumkommen. Von daher gesehen, kann es nur ein Anliegen der Kirche sein, zu jenen Werten und Tugenden zu ermutigen, die eine solche Wende verstärken. Sie muss Hand in Hand gehen mit einer "Wende zum Mehr". Zu mehr Fleiß, Disziplin und Solidarität."

Zusammenstellung: Elfi Thiemer.

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