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Rentabilität geht vor Ideologie

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Aber nicht nur dem sozialistischen Bestreben nach Ausweitung der Verstaatlichung ist Paroli zu bieten, sondern auch noch den leiderTnit weit mehr Erfolg gemachten Versuchen, die verstaatlichte Wirtschaft zu begünstigen, indem der Förderung dieses Sektors der Wirtschaft weit mehr öffentliche Mittel zugewendet werden als der Privatwirtschaft. Oder indem man — auch das oftmals mit Erfolg — versucht, zwingende ökonomische Grundsätze bei den verstaatlichten Betrieben nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Die Aufrechterhaltung ständig defizitärer verstaatlichter Betriebe nur deshalb, weil sie verstaatlicht sind, ist ökonomisch nicht zu verantworten und politisch höchst gefährlich. Gerade die Führung staatlicher Produktionsbetriebe ohne Rücksicht auf Rentabilität ist ein typisches Merkmal der kommunistischen Staatswirtschaft!

Wie groß die Gegensäzlichkeit in der prinzipiellen Einstellung zur Verstaatlichung in Österreich in Wirklichkeit ist, erkennt man auch daran, daß der österreichische Sozialismus nicht einmal bereit ist, innerhalb der verstaatlichten Wirtschaft jene Konzessionen zu machen, die am System selbst nicht das geringste ändern würden: Die Ausgabe von Volksaktien solcher Betriebe auch nur in einem Ausmaß von wenigen Prozenten wird verhindert. Womit besser als gerade durch die Weigerung, fünf oder zehn Prozent Volksaktien ausgeben zu lassen, könnte sich die Verhaftung des österreichischen Sozialismus mit der kommunistischen Wirtschaftsideologie zeigen?

Wenn hier an Hand der Problematik der Verstaatlichung einer der grundsätzlichen Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen den beiden österreichischen politischen Gruppen beispielsweise aufgezeigt wurde — ein Beispiel, das durch viele andere zu ergänzen wäre —, so soll im folgenden ein weiterer Gegensatz auf der Ebene der taktischen Wirtschaftspolitik angeführt werden. Für den Marktwirtschaftler ist es eine Selbstverständlichkeit, seine Entscheidungen ausschließlich nach Grundsätzen zu treffen. Es ist natürlich falsch, wirtschaftspolitische Entscheidungen mit Überlegungen parteitaktischer Natur zu belasten. Was wirtschaftlich richtig ist, ist eben richtig, und was falsch ist, ist falsch. An dieser Binsenwahrheit ändert auch die österreichische Realität nichts,die sehr oft wegen der Parität der politischen Kräfte zu Kompromissen zwingt. Daß diese Kompromisse wegen der gegebenen Verhältnisse unvermeidbar sind, bewirkt aber nicht, daß sie von den schädlichen Wirtschaftsfolgen frei bleiben, mit denen nun einmal ein Kompromiß auf wirtschaftlichem Gebiet immer behaftet ist. Es wäre aber leichter, diese unausbleiblichen schädlichen Folgen eines wirtschaftspolitischen Kompromisses zu überwinden, wenn der österreichische Sozialismus, sehr oft im Gegensatz zur Praxis der sozialistischen Parteien Westeuropas, die taktischen Überlegungen nicht immer wieder in den Vordergrund stellte. Immer wieder erleben wir, daß die ökonomischen Entscheidungen der SP Österreichs durch parteitaktische Erwägungen bestimmt werden.

Ein typisches Beispiel hierfür war die ursprüngliche Haltung des österreichischen Sozialismus in der Integrationsfrage. Unter Berücksichtigung der österreichischen Neutralitätspolitik konnte die Haltung Österreichs zur europäischen Integration ausschließlich von wirtschaftspolitischen Erwägungen bestimmt sein. Die wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit den Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist so überragend, daß es eigentlich selbstverständlich war, die Probleme, die sich aus dem Zusammenschluß der sechs ergaben, sofort und ausschließlich von der ökonomischen Seite her zu betrachten und eine ökonomische Lösung anzustreben. Es gab und gibt keinen Augenblick, in dem jemand, der diese Verhältnisse kennt, auch nur einmal vernünftigerweise hätte sagen dürfen, daß Österreich von der Tatsache der EWG und ihrer Entwicklung nicht weitgehend wirtschaftlich beeinflußt werde. Daher war eine positive Einstellung zur Lösung dieses Problems schon das Gebot der ersten Stunde. Wie aber verhielt sich dazu der Regierungspartner? Die Äußerungen maßgeblichster Funktionäre der sozialistischen Seite sind bekannt genug. Daß man dort wirklich allen Ernstes einmal davon sprechen konnte, daß man mit dieser EWG deshalb „nichts zu tun haben wolle“, weil die Mehrzahl ihrer Repräsentanten keine Sozialisten seien, zeigte mit erschreckender Deutlichkeit die erwähnte Tatsache auf, daß man die Absicht hatte, schwerste Schäden der österreichischen Wirtschaft nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil die Parteitaktfk dies — wenigstens damals — als zweckmäßig erscheinen ließ.

Muß nicht jeder Österreicher aus den beiden angeführten Beispielen, der Bevorzugung des Staatswirtschaftssystems und der Prävalenz der Parteitaktik in wirtschaftspolitischen Fragen, seine Konsequenzen ziehen? Sind nicht gerade diese beiden Phänomene!' der österreichischen Parteipolitik ein Fanal bestehender Gefahren? Sind diese Realitäten nicht Anlaß genug, daß/ einerseits die verantwortlichen Vertreter des Systems der sozialen Marktwirtschaft laut und deutlich und immer wieder auf diese Gefahren verweisen und anderseits die Staatsbürger selbst sich auch in der Wirtschaftspolitik weit mehr als bisher mit dem Grundsätzlichen beschäftigen? Darum sei in der Woche, da die Wiener Herbstmesse die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft uns und dem Ausland wieder einmal vor Augen führt, eindringlich darauf verwiesen, daß das Bekenntnis zu Grundsätzen, das man mit Recht heute von uns verlangt, sich nicht nur im Weltanschaulichen, sondern auch im Wirtschaftlichen von neuem bewähren muß!

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