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Fußballers Bittgebet
Da staunt der unsportliche, fromme Pilger. Ob in Fatima, in Altötting oder in anderen Gnaden- und Wallfahrtsorten, in den Votivkapel-len hängen da nicht nur die Krücken der geheilten Bresthaften und die vielen bunten Bilder, die von wundersamer Rettung und Dank für erhörte Bitten erzählen. Da hängen auch Boxhandschuhe und Fußbälle, manche davon verstaubt und vom Kerzenruß geschwärzt. Die Mutter aller Gnaden hat in ihrer Güte Tore gelingen lassen. Und der Sieg über die heimtückische Gegenmannschaft war das Werk ihrer huldvollen Fürbitte. Der FC n. n. weiß es ihr zu danken.
Längst vergangene Frömmigkeit harter Männer, jener Spezies verschämter Beter, die sonst mit Rücken -deckung des Ausgangs die Kirche frequentieren? Oder doch Gegenwart eines Glaubens, der alles Unvorhersehbare in Gottes Händen weiß?
Es wird nicht nur geschrien und geprügelt unter leidenschaftlichen Fußballfans. Wenn das Match brenzlig zu werden droht, wenn viel Ehre und noch mehr Geld auf dem Spiel steht, da gehört auch heutzutage zu den heimlichen Trainingsübungen vieler Sportler die Kniebeuge. Der Kerzen-verbrauch an den nächstgelegenen Gnadenaltären erreicht jene Rekorde, die auf dem Spielfeld kaum zu überbieten sind. Alttestamentarische Feldherrn-Inbrunst feiert moderne Auferstehung: Daß du die Feinde aufs Haupt schlagen und vernichten wollest und uns den Triumph des Sieges verleihen mögest!
Dem Don Camillo christfröhlichen Angedenkens versetzte der gekreuzigte Herr bei solchen Ereiferungen einen Tritt. Aber solche Wunder geschehen aji den geduldigen Gnaden-statten heute nicht. Liebevoll bestreicht der Torhüter das runde Leder mit Weihwasser. Die allgegenwärtige Kamera ist nicht dabei, wenn sich solches im mystischen Halbdunkel ereignet.
Grund zu danken hat die Sportwelt allemal. Denn der blühende und einträgliche Devotionalienhandel ist längst umgepolt. Was einst Rosenkränze und fürbittende Kaffeehäfer-ln, Gipsmadonnen und briefbeschwerende Dome waren, das sind die Fähnchen und Schärpen, die Kappen und T-Shirts, die Bälle en miniature, die Teddys und Schlüsselanhänger der populären Mannschaften. Ganz zu schweigen von den Beliquien in Gestalt eines Sockens, eines originalverschwitzten Leiberls oder eines Schuhs des angebeteten Mittelstürmers. Jede Zeit hat ihre Götter - und der wahre Himmel ist tolerant.
Nicht zu vergessen ist, daß der sogenannte völkerverbindende Sport längst auch seine religionsübergrei-fende Komponente hat. Dem Kerzenopfer für die Sieges-Madonna steht der gegen Mekka gebreitete Gebetsteppich gegenüber. Allah ist da noch viel geeigneter, denn er verhängt das unausweichliche Fatum und verheißt den Sieg. Gebetsmühlen drehen sich für fernöstliche Mannschaften, der Weihrauch ruft die Ahnen zum Siegesbeistand. Menschliches, Allzumenschliches allenthalben, fließend in vielen Grenzen. Warum denn nicht dieser Aufblick in der Stunde bevorstehender Entscheidung! Und schon gar kein verständnisloses Lächeln über jene Sportler, die es anders und ehrlicher meinen. Jeneuämlich, de-ren Disziplin mit Todesgefahr verbunden ist - und die durch sichtbare Zeichen ihr l. ben in die Hand Gottes legen wollen.
Fragt sich nur, warum nur, warum so viel augenscheinliche Sport-Devotion ohne Konsequenz im Alltag bleibt. Die Symbole boomen, die Kerzen flackern - aber haben wir wirklich nicht mehr zu erbitten als den Sieg einer Fußballmannschaft? Wir bestürmen die Madonna um Glück, einen Lederball in ein Netz zu schupfen - und diskutieren gleichzeitig, ob der Anblick eines Kreuzes in der Schulklasse erträglich ist. Wir zittern und beten für einen afrikanischen Linksaußen - und schieben Asylanten rücksichtslos ab.
Die Sache mit dem heiligen Sieg und dem heiligen Krieg war immer schon verdächtig.
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