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Geheimnis über Sizilien
„Ehe einer nicht sieben Handvoll Salz gegessen hat an einem Ort, kennt er ihn nicht.” — Diese Zeit, um das „Salz” eines Landes in sich eindringen zu lassen, ist für Sizilien beinahe zu kurz; das zeigt der Roman von Imma Bodmershof, eine Philosophie Siziliens, von der ersten bis zur letzten Seite spannend und in einer dichterischen Sprache geschrieben, die dem Gegenstand angepaßt ist. Die eindringliche Atmosphäre dieses Buches kommt daher, daß nur Erlebtes mitgeteilt wird und in die Form eines Romans verdichtet wurde.
Sizilien ist der Mikrokosmos der europäischen Möglichkeiten: die Vielfalt an Geschichte, Geographie, Mythologie und Magie kommt auf dieser Insel zusammen wie auf einem symbolischen Mittelpunkt Europas. Griechenland, Rom, Afrika, Asien; Sklavenaufstände, Normanneneinbruch, ununterbrochener Wechsel an Herren und Volk, unendliche Leiden des .Volkes, das sich schließlich bis heute „sein Recht” in der Mafia sucht; aber auch Schau platz der griechischen Götter- und Heldensage; nicht zuletzt die dauernde, geliebte Bedrohung durch den Aetna … Der Roman erzählt, wie ein Nichtsizilianer in dieses Land kommt, um dort eine unverhoffte Erbschaft anzutreten, die ihm bald streitig gemacht wird. Roberto, der Erbe, erfährt die ganze leidgetränkte Unsicherheit des Landes, aber vor allem die irrationalen, unausgesprochenen Hintergründe eines Lebens auf dieser Insel. Historischer Realismus und Gnosis verquicken sich; der Mithraskult wirft seine Schatten. Die Gestalt der Giliola ist eine Art Sophia: ein lebendiger Mensch, in dem sich die Götter sowohl wie die Magie des Landes treffen. In vier Frauengestalten begegnet Roberto der Fülle solchen Lebens: Concetta, die Klügste, Sanda, die Schönste, Fia, die Jüngste, und Carmela, die Häßlichste, sind Inkarnationen, die zur Versuchung werden, Giliola, das Ganze, zu verraten, um in bequemer Einseitigkeit weiterzuleben. Mauro della Rocca ist sein Gegenspieler; er ist ein eleganter Teufel, das Bild der schwarzen Magie dieses Landes, darum viel flächiger gestaltet als die anderen handelnden Personen des Romans. Dieser Versucher bringt zusammen mit dem ausbrechenden Aetna die Entscheidung für Robert und Giliola: in diesem Lande braucht es immer innere und äußere Gefahr, fast Katastrophen, um den Fortbestand des Lebens eine Weile zu gewähren; was gewährt wird, bleibt ein Besitz unter innerer und äußerer Gefährdung.
Dieser Roman ist die Geschichte der Geschichte des Menschen. So und nie anders ist Leben verwurzelt, so und nie anders kann es sich zur Reife im Mysterium anschicken. Im wiederholenden Lesen dieses Buches läßt sich immer tiefere Weisheit entdecken.
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