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Aussteiger als Leitbild i

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Haben wir nicht schon genug „Papiere"? Ist mit dem „Zukunfts-Manifest" ein neues Papier überhaupt notwendig?

Das „Salzburger Programm" bleibt, obgleich zwölf Jahre alt, grundsätzlich Leitlinie. Aber die Führung der Volkspartei war gut beraten, gerade jetzt die großen Herausforderungen der Zukunft zu diskutieren.

Es sollen nicht unsere Grundsätze in Frage gestellt, sondern die zentralen Aufgaben der kommenden Zeit ins Blickfeld gerückt werden. Neue Entwicklungen machen es notwendig, die längerfristige Orientierung der Politik zu prüfen und festzulegen. Darum geht es beim Zukunfts-Manifest.

Ein „2. Diskussions-Entwurf" ist zur Debatte gestellt worden. Es besteht in der Volkspartei Ubereinstimmung, daß mit diesem Entwurf weder Aufbau noch Inhalt des im Frühjahr 1985 zu beschließenden Zukunfts-Manifestes vorweggenommen werden sollen.

Kritik an diesem Entwurf und Gegenvorschläge gehören in der derzeitigen Phase zum selbstverständlichen Inhalt der Diskussion.

Meine Kritik: Ich halte es für falsch, als zentrale Philosophie die Forderung zu erheben, die Politik der Zukunft müsse sich dem „Lebensgefühl" der Menschen anpassen. Hier wird die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik grundsätzlich verkannt.

Gefühlstendenzen können, vom Augenblick her bestimmt, auf Bequemlichkeit, Genuß, Egoismus, Kleinmut ausgerichtet sein, während die längerfristigen Aufgaben der Zeit ganz andere Leitziele erfordern.

Es ist die Pflicht einer verantwortungsvollen Politik, die Herausforderungen und Aufgaben zu erfassen, um die es in Gegenwart und Zukunft für die staatliche Gemeinschaft geht.

Trotz der gerade in unserer Zeit immer wichtigeren Mitwirkung aller Bürger an politischen Entscheidungen darf nie vergessen werden, daß die in politische Verantwortung Berufenen eben eine ungleich größere Verantwortung tragen als jene, die sie berufen haben.

Und es ist dabei keineswegs ihre Aufgabe, sich als bloße Vollstrek-ker der jeweiligen Ergebnisse von Meinungsforschungen zu sehen.

Steht das „Lebensgefühl" im Widerspruch zu den für die Staatsgemeinschaft notwendigen Leitzielen, dann hat eine verantwortungsvolle Politik die Aufgabe, durch überzeugende Darstellung des Notwendigen die Haltung der Menschen für diese Leitziele zu gewinnen.

Die Demokratie bietet jeder politischen Kraft dazu die Chance. Und sie gibt den Menschen des Landes die Möglichkeit, nicht genügend überzeugende Leitziele abzulehnen.

Darüber hinaus hätte sich gemäß dem „2. Diskussionsentwurf" die Politik an ein Lebensgefühl anzupassen, das jenes einer relativ kleinen Minderheit ist. Es liegt zumindest in der Nachbarschaft von „Aussteiger-Tenden-zen.

Resignation, Ratlosigkeit und Mutlosigkeit gegenüber der Welt, wie sie ist und in Zukunft sein wird, schlagen hier durch.

Da ich es nicht bei der bloßen Kritik bewenden lassen wollte, habe ich einen eigenen Entwurf für ein Zukunfts-Manifest zur Diskussion gestellt.

Er stellt zunächst die Hauptziele heraus, um die es für unseren Staat und seine Bürger geht. Wirtschaftliche Selbstbehauptungsfähigkeit Österreichs, lebenswerte Umwelt, die Sicherung der Möglichkeiten des einzelnen zur Selbstentfaltung, damit er seinem Leben einen befriedigenden Sinn zu geben vermag.

Weiters: Die Freiheit des Landes nach außen, die demokratisch-rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung im inneren.

Schließlich: Die Mitwirkung an der friedlichen Uberwindung der Gräben zwischen Ost und West und an der Einigung Europas im Zeichen menschlicher Freiheit, Würde und Sicherheit.

Anschließend faßt der Gegenentwurf die Hindernisse und Bedrohungen ins Auge, die das Erreichen dieser Ziele in Zukunft gefährden könnten, die wir daher als Herausforderungen für unsere Zukunft sehen und meistern müssen.

Herausforderungen von außen, wie die spannungsgeladene Teilung Europas, der wachsende Wettbewerb aus Schwellenländern und Ländern mit Spitzentechnologien, und das Eindringen umweltschädigender Einflüsse über die Staatsgrenzen.

Herausforderungen von innen wie Mängel in der Koordination von Wirtschafts- und Umweltpolitik, in der Verständigung zwischen Verantwortungsträgern und Bürgern im politischen Ent-scheidungsprozeß, versteckte Armut im Land, Verkennen der sozialen Bedeutung von Wirtschaftswachstum und technischem Fortschritt, Abwertung von Arbeit, Einsatz und Leistung, Finanzkrise des Sozialstaates, bedrohte Finanzierbarkeit der Zukunftsaufgaben usw. usw.

Aus diesen Herausforderungen leitet der Gegenentwurf die Zukunftsaufgaben und die ab, die an die Politik und an uns alle gestellt sind und sein werden, damit wir Österreicher uns auch in der Welt von morgen behaupten können.

Der Parteispitze der Volkspartei wurde dieser Entwurf mit der Bitte übermittelt, ihn in die Diskussion über die endgültige Fassung des Zukunftsmanifestes ein-zubeziehen.

Der Autor ist ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat und politischer Koordinator des Modells Niederösterreich der NO Volkspartei.

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