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Die Wiener Ringstraße
Jahrzehnte etwas scheel als ein seltsames Konglomerat von historisierenden Prachtbauten angesehen wird seit einiger Zeit als das erkannt was sie wirklich ist: als eine dei größten städtebaulichen Leistunger des späten 19. Jahrhunderts, vergleichbar nur noch den Pariser Boulevards von Haussmann. Diese bauliche Großtat findet nun auch ihre literarische Würdigung. Als „Spurenfahrer“ betätigte sich hier mit großem Erfolg der Wiener Burgschauspieler und Historiograph der Stadl Wien, Fred Hennings, der in seinem dreibändigen Werk „Ringstraßen-Symphonie“ nicht nur einen Bestseller für den Herold-Verlag schul (mehr als 20.000 verkaufte Exemplare pro Band), sondern auch das erste literarische Denkmal großer Stils (und doch zu erschwinglicher Preisen) für diese Glanzleistung der Architektur der Epoche Franz Josefs schuf. Ihm folgte Gerhard Kapnei mit seinem Werk „Die Denkmäler der Wiener Ringstraße“ (Verlag für Jugend und Volk, Wien) und dann der erste Band des Monumentalwerkes „Die Wiener Ringstraße“ von der Kunsthistorikerin Univ.-Prof. Doktor Renate Wagner-Rieger, mit Unterstützung der Thyssen-Stiftung im Böhlau-Verlag herausgegeben.
Und vor kurzem folgte innerhalb der vom Paul-Zsolnay-Verlag, Wien, herausgegebenen Reihe „Wiener Geschichtsbücher“ ein kleiner Band, ebenfalls über die Wiener Ringstraße von dem jungen Wiener Kunsthistoriker Klaus Eggert. Der Verfasser stellt diese Prachtstraße, die seit ihrer Entstehung zu den berühmtesten Straßen der Welt zählt und rund 800 monumentale Gebäude umfaßt, von der Warte unserer Zeit aus dar, als ein nach Anlage und Durchführung einmaliges Gesamtkunstwerk. Die meisterhaft beschreibende und auf das Wesen der Gesamtanlage und der einzelnen Bauten und Denkmäler eingehende Darstellung wird zugleich zu einer leidenschaftlichen Apologie des Historismus, der — lange verkannt, verachtet, belächelt, ja verspottet — seit einiger Zeit immer positiver bewertet wird. Indem Eggert die wesentlichen Merkmale dieser Kunst hervorhebt und zum Teil neu entdeckt, wird auch ihre Eigenständigkeit erkennbar und damit der Vorwurf der bloßen Stilnachahmung hinfällig. Damit gewinnt das vorliegende Buch, das durch seine hervorragende kunsthistorische und geistesgeschichtliche Aussage größtes Interesse verdient, eine besondere Aktualität als fundierter Beitrag zu der lebhaften Diskussion über den Wert oder Unwert der Ringstraßenarchitektur, die in letzter Zeit im Zusammenhang mit beabsichtigten Abbruchen immer wieder aufflammt. Jeder Liebhaber von Viennensia wird unbedingt dieses Buch seiner Sammlung einreihen müssen.
DIE WIENER RINGSTRASSE. Von Klaus Eggert. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 112 Seiten, 19 Abbildungen, S 130.—.
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