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Landflucht — einmal anders

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Bei der Erörterung des Land-fluchtproblems wurden bisher meist und vielleicht allzusehr wirtschaftliche und soziale Fragen und Reformpläne besprochen und angeregt Es wurde jedoch ganz selten darauf verwiesen, daß neben materiellen Reformen auch solche rein geistiger Art durchgeführt werden müssen, ja daß die geistige Reformarbeit die Grundlage auch für alle materiellen

Reformen bilden muß, wenn letzteren ein dauernder Erfolg gesichert werden soll. Und wenn solch geistige Reformarbeit angeregt wurde, dann geschah dies leider allzu häufig vom grünen Tisch aus von Menschen, die keine oder nur kurze Zeit am Lande verbrachten und daher die Situation nie so beurteilen, wie sie tatsächlich ist. Diese geistige Reformarbeit ist

schon deshalb eine Voraussetzung für alle zur Verhinderung der Landflucht beitragenden sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen, weil diese nur dann ihren Zweck voll und ganz erfüllen werden, wenn der Großteil der beteiligten Menschen aus innerster Überzeugung und positiver Einstellung zu den Gesetzen der Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Menschenwürde bei der

Durchführung derartiger Maßnahmen mitarbeitet. Nur wenn die Menschen den eigenen Vorteil, bisher häufig in verbrecherischer Weise gefördert, auf ein vernünftiges Maß einschränken lernen und das Landvolk die verlorengegangene Kraft wiedergewinnt und sich auf seine Sendung und Aufgabe, Kraftquell des Volkes zu sein, wiederbesinnt und seine eigene, gesunde und kraftspendende Kultur bewahrt beziehungsweise erneuert, werden gar manche sozialen und wirtschaftlichen Probleme von selbst und aus der Landgemeinschaft heraus gelöst werden oder zumindest leichter einer Lösung zugeführt werden können. Das Landvolk muß aufhören, die trügerischen Vorteile des Großstadtlebens zu bewundem, und es müssen vor allem Schule, Rundfunk, Presse, Film und Fernsehen ihr Teil dazu beitragen und dahin wirken, daß nicht das städtische Leben dem Landvolke als Muster und erstrebenswertes Beispiel moderner Kultur hingestellt werde. Es braucht deshalb, wie vielleicht manche einwenden werden, noch lange kein Gegensatz zwischen Stadt und Land geschaffen oder genährt werden; was angestrebt werden muß, Ist ein harmonisches und sich gegenseitig ergänzendes Nebeneinanderleben der städtischen und ländlichen Kultur.

Die Voraussetzung

Bei dieser Arbeit werden neben Presse, Rundfunk, Film, Volksbil-dumgsvereinen und ländlichen Kulturbünden besonders die Landschule — in ihrer Fortsetzung die ländliche Fortbildungsschule — und ihre Lehrerschaft eine maßgebliche Stellung einnehmen müssen. Wenn auch Ziel und Weg sowie organisatorische Fragen über diese umfassende Arbeit erst nach eingehender Diskussion festgelegt werden können, so möchte ich dennoch hier schon jetzt betonen, daß vor allem die Landschule in ihrer heutigen Art, Organisation und Form nicht imstande ist, die neue Aufgabe zu erfüllen, und daß nur nach einer zeitgemäßen, weitgehenden Reform diese Arbeitsaufgabe wird bewältigt werden können. Die Landlehrerschaft wird — mehr als bisher — durch: ihr Beispiel und die VölKs^-tumsarbeit, besonders aber durch -zielbewußte Erziehungsarbeit1 ittfieif*-halb und außerhalb der Schule, neben einer entsprechenden Vermittlung des Wissens die grundlegende Arbeit an unserer Landjugend zu vollbringen haben.

Für diese schwere Aufgabe wird aber die Landlehrerschaft nur in einer im Sinne der reformierten Landschule aufgebauten LehrerbiU dungsanstalt entsprechend ausgebildet und vorbereitet werden können, während die Landschule wieder die ihr in der heutigen Zeit gestellten Aufgaben nur durch eine den besonderen ländlichen Verhältnissen angepaßte Umgestaltung wird erfül-

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