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Ein Akt der Liebe $1 $2

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„Obwohl die Art und Weise, in der die menschliche Empfängnis in der FIVET (In-vitro-Befruch- tung und Embryoübertragung) herbeigeführt wird, nicht gebilligt werden kann, muß man doch jedes Kind, das auf die Welt kommt, als lebendiges Geschenk der göttlichen Güte annehmen und mit Liebe aufziehen.“

Diese Nebenbemerkung wird bei der Lektüre der vatikanischen „Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung“ , am 10. März als Dokument der „Kongregation für die Glaubenslehre“ der Öffentlichkeit übergeben, zu einem Schlüsselsatz: Auch Retortenkinder sind Menschen.

Diese herablassende Zuwendung ist aber auch schon die einzige positive Aussage, die sich im Zusammenhang mit der künstli- ‘ chen Befruchtung in diesem Dokument findet.

Im Klartext: Die Glaubenskongregation lehnt ausnahmslos jeden Zeugungsversuch ohne unmittelbaren Geschlechtsverkehr ab. Denn „die den ehelichen Akt ersetzende künstliche Besamung ist wegen der freiwillig bewirkten Trennung zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes verboten“ . Nicht zuletzt ist es die der Samengewinnung vorausgehende Masturbation, mit der dieses Nein begründet wird.

Die beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes, auf die sich das Dokument beruft: „Liebende Vereinigung und Fortpflanzung.“ Und zur Untermauerung beruft sich die Instruktion auf Pius XII., denn „es ist nie erlaubt, diese verschiedenen Aspekte dermaßen zu trennen, daß man entweder die Absicht zur Zeugung oder die eheliche Beziehung positiv ausschließt“ .

Von der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes war schon in „Humanae vitae“ die Rede, ver ständlich daher, daß die Instruktion dieser Logik folgt, doch müssen Liebe und Fruchtbarkeit nicht unbedingt immer miteinander verbunden sein. Darauf baut schließlich auch die natürliche Empfängnisregelung auf.

Der eheliche Liebesakt muß also kein Zeugungsakt sein. Aber der Zeugungsakt muß, und das ist der rote Faden der vatikanischen Instruktion, ein ehelicher Liebesakt sein.

Der unbedingte und unmittelbare Zusammenhang, der zwi-

sehen Geschlechtsakt und Zeugungsakt hergestellt wird, verkürzt freilich jeden Akt der Liebe auf den Liebesakt.

Wer darf die Behauptung wagen, daß jeder Liebesakt auch ein Akt der Liebe ist? Umgekehrt kann aber ein Akt der Liebe sein, was ohne unmittelbaren Geschlechtsverkehr eine moralische Einheit von Ehepartner- und Elternschaft ermöglicht.

Künstliche Befruchtung innerhalb der Ehe rüttelt nicht am Prinzip der verantwortlichen Vaterschaft und Mutterschaft, das die Instruktion betont. Das Leben wird — wer möchte das bestreiten

— in seiner Einzigartigkeit in der Ehe weitergegeben. Und es bleibt

— Medizintechnik hin, ärztliche Kunst her — ein Geschenk.

Auch die Gesundheit ist ein Geschenk. Trotzdem wird niemand als unmoralisch angesehen, der körperlichen Störungen — es können auch krankheitsbedingte sein

— durch extrakorporale Medizintechnik mit ärztlicher Hilfe zu überbrücken versucht. Extrakorporale Hämodialyse — also Blutwäsche mittels künstlicher Niere

— ermöglicht Leben. Die Herz- Lungen-Maschine schaltet Herz und Lunge aus und schafft einen extrakorporalen Kreislauf. Dient nicht auch die extrakorporale Befruchtung dem Wohl des menschlichen Lebens, „wenn sie der an Krankheit und Schwachheit leidenden Person in Achtung vor ihrer Würde als Geschöpf Gottes zu Hilfe“ kommt?

Nein, sagt die Instruktion, denn das „Geschenk des menschlichen Lebens muß innerhalb der Ehe mittels der spezifischen und ausschließlichen Akte der Eheleute verwirklicht werden“ .

Damit bleibt das Dokument hinter den Aussagen zurück, die bereits von Bischofskonferenzen

— darunter auch der österreichischen —, von kompetenten Moraltheologen und von fachkundigen katholischen Laien (FURCHE 9/ 1987) getroffen wurden.

Das kategorische Nein der Glaubenskongregation zur kor- poralen und extrakorporalen künstlichen Befruchtung’ beruft sich auf unzweifelhaft gegebene Gefahren und Folgen. Das Anliegen, Mißbräuche zu vermeiden und zu unterbinden, ist von berechtigter Sorge getragen.

Ist es aber auch berechtigt, damit gleichzeitig alle Bemühungen um künstliche Befruchtung zu verdammen, die sich an der Würde und Unantastbarkeit des Lebens orientieren?

Eingriff nur innerhalb der Familienstruktur, Übertragung aller befruchteten Embryos, kein Tieffrieren und keine Manipulation an ihnen: Auch das ist in den Augen der Glaubenskongregation

— wegen der sündhaften Masturbation zur Samengewinnung - moralisch unstatthaft.

Nein zur heterologen Befruchtung, nein zu jedem Experiment mit befruchteten Eizellen. Dem werden viele zustimmen. Anderes gilt es ernsthaft zu erwägen - und nach dem Gewissen zu entscheiden. Und das bindet die Instruktion nicht.

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