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Holzel ist zu entdecken

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Auf Wiederentdeckungen scheint sich die Galerie nächst St. Stephan in letzter Zeit spezialisiert zu haben. Nach der Industriedesignausstellung im vergangenen Jahr ist jetzt ein Vergessener, ein verschwiegener Ahnherr der abstrakten Kunst an der Reihe.

Adolf Holzel ist bei uns unbekannt, in Museen nicht vertreten, dabei Österreicher, Zeitschriftenverleger, Kunsttheoretiker. „Ein Bild ist eine so großartige, komplizierte, vielfach verzwickte Sache, daß es sündigen heißt, sich auf den bloßen Zufall zu verlassen“ wird ein Ausspruch Hölzeis im Katalog zitiert. Ein programmatischer Satz für seine Auffassung von Malerei.

Holzel kam aus dem Naturalismus, machte die modische Tendenz zum Expressionismus mit und begann sich dann zu befreien, Schritt für Schritt das Konkrete aufzuweichen, Konturen aufzulösen, machte das alles bewußt, „mit Konzept“, wollte theoretisch rechtfertigen, was er in der Praxis vollzog. Kunst sollte rationabel sein, selbst in ihren differenziertesten Prozessen einsichtig für den Betrachter, sinnlich und intellektuell erfahrbar.

Damit hat er vorweggenommen, was Jahre später Informel und Tachismus wollten, das Spiel der Formen und Farben entdeckt, die Eigenrealität der Farben. Nicht zufällig jedoch, aus Laune, sondern bewußt. Kunst sollte an die Perspektivlosigkeit und soziologische Zerrissenheit der Industriegesellschaft angepaßt werden, durfte nicht länger vorspiegeln, was es nicht mehr gab: die Einheit von Natur und Mensch, Individuum und Gesellschaft. Was der Expressionismus noch retten wollte, hat Hölze! mit der Abstraktion endgültig verworfen.

Vielleicht ist er auch deshalb nicht rezipiert worden, weil er voraus war, radikaler und konsequenter als seine Zeitgenossen sich eingestanden, trotz seiner Bemühungen, als Verleger der Zeitschrift „Kunst für alle“ die bildenden Künste zu popularisieren, für eine breite Betrachterschicht einsehbar zu machen.

Die Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan bietet nur einen Bruchteil vom Schaffen Hölzeis, einen schmalen Querschnitt, der jedoch seine Entwicklung zur Abstraktion recht gut verdeutlicht. Man begleitet den Maler gewissermaßen durch seine wesentlichen Stadien, kann seine Revolution nachvollziehen. Den Nachlaß Hölzeis zu ordnen, die weithin verstreuten Bilder zu sammeln, zu dokumentieren wäre gewiß eine reizvolle Aufgabe für Museen oder große Galerien. Die Qualität dieses Lebenswerkes rechtfertigt ein solches Unternehmen gewiß.

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