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Neue Tintenburg

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Des einen Freud, des anderen Leid. So könnte man die der- zeitige Situation der Planer des Re- gierungsviertels in Nieder- österreichs junger Hauptstadt St. Pölten beschreiben. Die Realisie- rung der Polit-Hochburg am Rande der Stadt ist eine schwierigere An- gelegenheit als es zunächst - bei Ausschreibung des Projektes - schien.

168 Projekte zur Gestaltung des .Regierungsviertels trudelten ein,

Architekten aus dem In- und Aus- land verwendeten viel Ge- hirnschmalz. Es zerrann den Be- wertern unter den Fingern. Elf Arbeiten - bereits mit Detailpla- nungen versehen - kamen in die zweite Runde des Wettbewerbs. Diese Stufe wurde im Jänner dieses Jahres gestartet.

Den Architekten wurde dabei ein städtebauliches Entwick- lungsprogramm vorgelegt, das ge- meinsam mit dem Land Nieder- österreich und St. Pölten aus Er- gebnissen des Wettbewerbes und aus eigenen Untersuchungen er- stellt wurde. Mit diesem detaillier- ten Raum- und Funkti- onsprogramm ausgestattet konnte mit einer Überarbeitung der ein- zelnen Projekte begonnen werden.

Ende Mai war diese Phase zu Ende. Einen Endsieger gab es aber auch im Juli noch nicht. Die Jury - bestehend aus Experten, Architek- ten, Bürgermeister Willi Gruberund Lan- deshauptmann Sieg- fried Ludwig - konnte sich lediglich auf drei Arbeiten einigen; denn keines der prämiierten Projekte entspach nämlich wirklich den Vorstellungen der Jury - sie verstießen teilwei- se auch gegen Leitli- nien des St. Pöltner Gemeinderats, der den Baustrukturen der Stadt angepaßte Hö- hen verlangte. Außer- dem will man einen Grüngürtel um die Stadt schaffen, St.Pöltens Bürger wie- der fordern ein Regie- rungsviertel, das „Bürgernähe" vermit- telt.

Jetzt geht der Wett- bewerb in die dritte Stufe. Die überarbei- teten Projekte sollen am 17. September ab- gegeben werden. Die Jury tagt dann am 30. September. Bis dahin haben die die beiden Wieher Architekten Ernst Hofmann und Wilhelm Holzbauer sowie das Team aus der Tschechoslowakei Bu- cek, Dvorak und Jif an Zeit, alle Wünsche ein- zuarbeiten.

Das Regierungsvier- tel-Projekt im Detail: Das gesamte Areal hat eine Größe von 70 Hektar. Das Land- haus, der Regierungs- sitz, beansprucht da- bei eine Fläche von 90.000 Quadratmetern undsoll2.500bis3.000 Beamten Platz bieten. Auf der ersten Stufe des Wettbewerbs war eine Verbindung und Akzentuierung der einzelnen unterschied- lichen Funktionsbe- reiche sowie ein gutes Sicherheitssystem ge- fordert. Keines der Projekte konnte diese Forderung zur vollsten Zufriedenheit erfül- len. Vizebürgermeister Amand Kysela zur

FURCHE: „Das Regierungsviertel soll den Eindruck eines offenen Viertels erwecken."

Das Projekt des Wiener Archi- tekten Hofmann erfuhr große Ak- zeptanz, bemängelt wurde eine gewisse Unverbindlichkeit sowie die Eintönigkeit der Architektur des Landhauses.

Die Holzbauer-Planung bereitete auch wenig Freude, denn man will St. Pöltens bauliche Struktur nicht mehr weiter verändern. Wilhelm Holzbauer plante zunächst einen 24stöckigen Gebäudekomplex, der dann zwar auf elf Stockwerke re- duziert wurde, bei Jury und Bevöl- kerung aber noch immer nicht hoch

in der Gunst steht, weil andere bauliche Vorschriften nicht einge- halten wurden.

Viel Lob ernteten die Architekten aus der Tschechoslowakei, bemän- gelt wurde der Burgcharakter des Landhauses.

Bis 30. September ist das Rennen noch offen. Die Jury-Vorsitzenden Peichl und Hollein bevorzugen das Projekt ihres Kollegen Holzbauer - mit ihrer Wertung, so ist zu hören, stehen sie jedoch allein auf weiter Flur.

Die Bürger der niederösterrei- chischen Landeshauptstadt können dem tschechoslowakischen Projekt viel abgewinnen, da es sowohl funk- tional als auch architektonisch gute Lösungen anbietet. Einziges Han- dicap: Die aztekisch anmutende „Burg" inmitten des Viertels. Ar- chitekt Hof mann hat bei architek- tonischen Verbesserungen momen- tan große Siegeschancen.Bür- germeister Willi Gruber weigert sich strikt, weitere Monumen- talbauten - wie etwa das Projekt der tschechoslowakischen Ar- chitekten - zu verwirklichen

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