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Sdiilda im Donaupark?

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„Rotznase! Weg mit der Rotznase”, brüllte im Parlament am vergangenen Mittwoch aus vollem Hals der bullige SPÖ-LÄlbgeordnete Horr, seines Zeichens Boß der mäditigen Bau- und Holzarbeitergewerkschalt. Zielscheibe dieser Flegelei war der ÖVP-Abgeordnete DDr. König, der die sozialistische Fraktion anläßlich einer drimglichen Anfrage an Bim-deiSkanzler Dr. Kreisky über Vorgänge rund um den weltweit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb zum Bau der UNO-City im Wiener Donaupark zur Weißglut gebracht hatte.

Diese offenbar mit großer Sorgfalt vorbereitete dringliche Anfrage der Volkspartei endete schließlich mit einem von Prof. Koren eingebrachten Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Neben der Affäre uim die Fluigzeug-käufe des Bundesheeres wird sich das Parlament also innerhalb kurzer Zeit noch mit einem aweiten myste-

riösen Vorgang größter Brisanz zu befassen haben. Immerhin geht es beim UNO-City-Projekt um das derzeit bedeutendste Bauvorhaben Österreichs mit einer Bausumme von rund drei Milliarden Schilling. Es geht unter anderem um Architektenhonorare in einer Größenordnung von über 100 Millionen, und — so meinen viele Experten — um einen drohenden Rechtsstreit, bei dem der Staat zu einer Scäiadensersatz-leistung bis zu 180 Millionen Schilling veruteilt werden könnte. Nebenbei geht es noch um eine allfällige Blamage weltweiter Dimension.

Parlament falsch informiert?

Die Lawine losgetreten hat in einer Debatte am 14. Jänner der FPÖ-Ab-geordnete Gustav Zeillinger, der die Entscheidung der Bundesregierung zugunsten des reichlich untoeikannten, von der internationalen Jury seinerzeit bloß mit dem vierten Preis bedachten Wiener Architekten Stalber einer heftigen, wenn auch allgemein gehaltenen Kritik unterzogen hatte. Zeillinger warf der Regierung vor, sie habe sich über die Meinung der Fachleute glatt hinweggesetzt.

Bundeskanzler Dr. Kreisky glaubte damals, solche Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen zu können, meldete sich zu Wort und verteidigte in epischer Breite, doch offenbar etwas am Sachverhalt voitoei, die am 18. Dezember 1970 gefällte Entscheidung seines Kabinetts. Damit lief er der Volkspartei direkt ins offene Messer, die ihn auch prompt mit den Fakten hart konfrontierte.

Das in Bauigesdimacksfragen so unglückliche Wien, bereits greulich verschandelt durch einen riesigen Gasometer am höchsten Punkt der Stadt, einen Schablonenturm am tiefsten Punkt der Metropole und einem an Durchschnittlichkeit nicht mehr überbietbaren Fernheizwerk beinahe im City-Bereich, sollte endlich einen städtebaulichen Schwerpunkt von internationalem Format erhalten. So beschlossen es der Bund und Wiens Stadtväter, als die UNIDO für Wien gewonnen werden konnte und sich damit auch das Problem einer standesgemäßen Untertsringung dieser Behörden auftat Die Welt sollte Maulaffen feilhalten, was Österreich da auf dem seit der WIG eher verlegen brachliegenden Donauparkgelände hinstellen werde… Diesmal sollten aucäi die ewigen Nörgler, die Wiens beschämende Baumisere nach dem Zweiten Weltkrieg auf minderwertige Architek-tenwettbewerbe und Behördenignoranz zurücikführten, keinen Orund zur Klage haben, .m März 1968 begann das Unternehmen zunächst mit der Berufung eines Ziviltechnikerteams, das die Ausschreibungsunterlagen für den Wettbewerb auszuarbeiten hatte. Die prominenten Wiener Architekten Schwanzer, Appel, Fleischer imd Lintl machten sich mit mehr als 100(!) Mitarbeitern ans Weric, nur, um die Grundlagen des Wettbewerbes zu schaffen.

Tatsächlich konzentrierte sich alsbald das Interesse der Architektur-scäiallenden aller Kontinente auf das Wiener Großprojekt. 656 Architekten aus 50 Staaten kauiften (!) die Wett-bewePbsunterlagen, 272 Projekte langten schließlich ein. Um die solcherart beigesteuerte Geistessuto-stanz überhaupt unteitirirtgen zvt können, miißte auf dem Donaupark-gelände eine imposante Zelthalle aufgestellt werden. Dem Gewinner des ersten Preises winkte eine halbe Million Schilling, dem vierten immer noch 250.000 Schilling. An der Spitze der siebenköpflgen Jury, die am 30. Mai 1969 ihre Arbeit aufnahm und der vier Ausländer und drei Inländer angehörten, stand niemand geringerer als der Präsident der Weltarciiitektenunion, Pierre Vago aus Paris.

Am 24. Oktober 1969 erkannte die

Jury den ersten Preis Cesar Peili (USA), den zweiten Preis Building Design Partnership (England), den dritten Preis F. Novotny — A. Mähner (BRD) und den vierten Preis Johann Staber (Österreich) zu. Dem Juryspruch war allerdings die Feststellung beigefügt, daß keines der preisgekrönten Projekte uneingeschränkt zur Auisführumg empfohlen werden könne. Dem Bauherr wurde daher nahegelegt, die Preisträger zur Präzisierung der eingereichten Projekte einzuladen. Das geschah auch tatsächlich mit Schreiben des Bautenministeriums vom 12. Dezember 1969, wobei den Preisträgem allerdings versichert wurde, daß die Überarbeitung keine Fortsetzung des Wettbewerbes in zweiter Stufe bedeute. Zusammen mit den Ausschreibungäbestimmungen dürfte dieses Schriftstück für die Beurteilung der weiteren Vongänge von entscheidender Bedeutung sein. Aber nach der Ausschreibung kann der Gewinner des ersten Preises nur aus zwingenden und triftigen Gründen von der Auftragserteilung ausgeschlossen werden. Am 5. und 6. Mai 1970 — also nach dem Regierungswechsel — stellten dann die vier Preisträger ihre überarbeiteten Projekte vor. Die überttbeiteten Projekte prüftes liließ-lich ein Gutachtergremium, das mit der Jury nicht ident war. Dabei kam es zu einer Umreihung, bei der das englische Projekt an erster und das österreichische Projekt an zweiter Stelle landete. Mit acht zu einer Stimme empfahl das Gutachtergremium die Ausführung des englischen Projektes, die Regierung traf ihre Entscheidung trotzdem zugunsten des Österreichers. Namhafte Juristen und führende Architekten sind indessen fest davon überzeugt, daß diese Umreihimg den

Wettbewerijsregeln widersipricht und unzulässig war.

180 MiUlonen Pönale?

Die ÖVP reibt sich nun an einigen Behauptungen des Bundeskanzlers, der erklärt hatte, die Jury habe erst über Drängen übertiaupt eine Art Reibung vorgenommen, es wäre grotesk, den intemationalen Behörden ein Bauwerk zuzumuten, mit dem sie nichts anfangen können, und das Projekt Pelli sei überdira zu teuer gewesen. Dr. Kreisky bestritt die Wettbeweitoswidrigkeit der vorgenommenen Umreihung. Von der ÖVP wird dem entgegengehalten, daß die Jury nachweislich die Preise 1 bis 4 vergeben hätte und die Wettbewerbsausschreibung als Ausschließungagrund für die Auftragserteilung einzig und allein das Vorliegen 2iwin(gender und triftiger Gründe anerkennt. Sie verweist auf ein Dokument der internationalen Behörden vom Juni 1970, in dem — nach der ÜberarbeituJig der Projekte — dem Entwurf des ersten Preisträgers klar der Vorzug gegeben, gleichzeitig aiber das Projekt Staber als ungeeignet abgelehnt wird. Das zweifelsfrei schwerste Geschütz aber steht weiterhin der Volkspartei mit einem Gutachten des sozialistischen StaraAwsrites Dr. Rosenzweig zur Verfügung, der dem Architekten Pelli gute Chancen in einem allfälligen Prozeß einräumt, wegen Bruchs der Wetttoewerhstoestimmun-gen sechs Prozent der Bausumme ohne jede Leistung kassieren zu können.

Hätte Dr. Roseniaweig recht, dann könnte dies Österreichs Steuerzahlern, neben jenen 13 Millionen Schilling, die der Wettbeweib verschlungen hat, weitere 180 Millionen Schilling an „Schmerzensigeld” für den übergangenen Pelli kosten…

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