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Ramponierte Reputation
Feindseligkeit kennzeichnet heute das politische Leben. Die „Ohne-mich“-Stimmung, vor allem unter der Jugend, greift um sich. Auch der Pädagoge fühlt sich herausgefordert.
Feindseligkeit kennzeichnet heute das politische Leben. Die „Ohne-mich“-Stimmung, vor allem unter der Jugend, greift um sich. Auch der Pädagoge fühlt sich herausgefordert.
Die Bemühungen um die Politische Bildung laufen seit Jahr und Tag, mit manchem Engagement. Eine Enquete des Unterrichtsministeriums im Frühjahr 1984 führte eine Bestandsaufnahme des Bereiches durch und zeichnete an sich ein zufriedenstellendes Bild der Lage der Politischen Bildung in Österreich.
Ein in unseren Augen zu sehr beruhigendes Bild. Dazu sei im Sinne eines „Kritischen Ja“ einiges angemerkt.
Denn das Engagement vieler in diesem Bereich Tätiger wie die an sich guten konzeptionellen Uber legungen stoßen zunehmend auf Schwierigkeiten pädagogischpsychologischer Art, für die manches verantwortlich gemacht werden muß. Darüber kann nicht hinweggesehen werden und darüber darf man sich auch nicht in gut österreichischer Manier hinwegtäuschen.
Wir betrachten die Dinge sehr ernst, und zwar sowohl im Bereich der Jugend — und dürfen hier die sozusagen tägliche Erfahrung als Autorisierung solcher Aussagen anführen — wie in der Erwachsenenwelt.
Die Frage nach der politischen Kultur ist mehr als eine ästhetische Frage, und Fehler in diesem Bereich sind mehr als ästhetische Fehler; sie sind politische, staatspolitische Fehler. Denn das geistig-ethisch unerläßliche Fundament der Demokratie ist ihre innere Bejahung seitens der Staatsbürger.
Dabei mag gewiß die Komplexität der durch viele äußere und innere Interdependenzen gekennzeichneten heutigen Situation der Politik in Rechnung gestellt werden. Doch auch dies entschuldigt heutige Dissonanz nicht.
Wir leben in einer weltanschau lieh pluralistischen Gesellschaft. Die damit verbundenen Spannungen, das Konkurrenzverhältnis der politischen Parteien und Gruppierungen ist grundsätzlich positiv zu werten.
Die Freiheit der eigenen Entscheidung besteht optimal im freiheitlich-demokratisch-parti-zipativ organisierten Gemeinwesen. Meinungsvielfalt bedeutet Bürgerfreiheit.
Jedoch: Es ist zu einer zunehmenden Verhärtung unserer Demokratie gekommen. Nicht Partnerschaft, sondern eher Feindseligkeit kennzeichnet das politische Leben. Bei unterschiedlichen Sachauffassungen wird dem anderen gar schnell die Fähigkeit zu Einsicht und Urteil abgesprochen oder gar böse, dunkle Absicht unterstellt.
Der Vertrauensbonus in die Politik ist bei dieser Lage gering. Eine „Ohne-mich“-Stimmung ergreift bei all den Widersprüchlichkeiten weite und vor allem jene Kreise, die geistig wie auch im Bereich der Politik zu führen haben.
Der Stil der Auseinandersetzungen diskriminiert die pluralistische Parteiendemokratie und entblößt letztlich das Staatswesen. Die üblich gewordenen persönlichen Angriffe und Verdächtigungen schaden nicht nur dem jeweiligen Adressaten, sondern der parlamentarischen Demokratie im ganzen.
Politische Bildung - und vieles wäre hier noch auszuführen -wird aber bei all dem sozusagen von hinten aufgerollt und unglaubwürdig.
Anderseits wird sie gerade deshalb besonders wichtig, um die Voraussetzungen für neues Vertrauen in die Politik - in die Politik als geistige Leistung - zu schaffen, um deren ramponierte Reputation wiederherzustellen.
Hier wird manches vor allem an den politischen Parteien und deren „pädagogisch-staatspolitischer“, „staatsethischer“ Verantwortung liegen.
Letztlich ist damit die Frage der Qualität unserer Demokratie angesprochen.
Der Autor ist ordentlicher Professor für Pädagogik an der Universität Salzburg.
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