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Digital In Arbeit

Arbeit mit Zukunft

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Zur Lösung der Krise der Arbeit brauchen wir den Konsens und die Kreativität der gesellschaftlichen Kräfte.

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Zur Lösung der Krise der Arbeit brauchen wir den Konsens und die Kreativität der gesellschaftlichen Kräfte.

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Die Demokratie ist mit der Überzeugung angetreten, daß gesellschaftliche Probleme nicht mit Zwang, sondern durch Konsens gelöst werden können. Also auch das Problem der Arbeit und der Arbeitslosigkeit. Die Ursachen der Krise sind weithin bekannt: Technische Innovationen setzen Arbeitsplätze frei, die weltweite Konkurrenz verlagert Arbeitsplätze und Kapital, die Nachfrage nach Arbeit steigt... Die entscheidende Frage aber heißt: Gehen wir auf eine Gesellschaft zu, in der trotz aller zeitbedingten Schwankungen eine Vollbeschäftigung möglich sein wird? Oder muß man befürchten, daß eine Durchschnittsarbeitslosigkeit von zehn Prozent in Europa ein Dauerzustand bleiben wird? Niemand wagt eine eindeutige Antwort.

Die Herausforderung aber kennt jeder: Eine Demokratie, die es zuläßt, daß eine Großgruppe von Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen vom Arbeitsprozeß ausgegrenzt bleibt, verletzt das Menschenrecht auf Arbeit und gefährdet sich selber. Man weiß nur zu gut, wie die Unfähigkeit, dieses Problem zu lösen, Diktaturen vorbereitet hat.

Wenn in europäischen Ländern ein Viertel aller Jugendlichen zwischen 19 und 25 Jahren keinen Arbeitsplatz findet, drohen gesellschaftliche Infarkte, die weitreichende Folgen haben. Darum muß »die Überwindung der Krise der Arbeit Vorrang haben vor anderen gesellschaftspolitischen Aufgaben. Hier geht es um die Sicherung eines Menschenrechtes und um die Verteidigung der Demokratie.

Allen ist klar: Das Grundrecht auf Arbeit ist einzufordern und die Demokratie ist zu verteidigen. Die Schwierigkeiten aber beginnen bei der Frage der Verwirklichung. Auch darüber ist man sich noch einig: Der Krise der Arbeit ist nicht nur innerstaatlich, sondern auch europaweit zu begegnen. Dazu braucht es politische Entscheidungen und überstaatliche Maßnahmen. Die Dokumente, Anweisungen und Angebote aus Brüssel sind durchaus hilfreich. Aber sie wollen bewußt „subsidiär" sein, das heißt, sie setzen die Initiative der Mitgliedsstaaten voraus, ergänzen und unterstützen sie. Damit bleibt ein hohes Maß an Verantwortung bei den einzelnen Staaten. Man weiß aber ebenso, daß die öffentliche Hand wegen der internationalen Verpflichtungen und der wachsenden Budgetkrisen nur einen begrenzten Spielraum hat, in die Krise der Arbeit entscheidend einzugreifen.

Darum verlagert sich die Verantwortung und Zuständigkeit zunehmend auf die gesellschaftlichen Kräfte und Sozialpartner. Es wird wesentlich darauf ankommen, ob es ihnen gelingt, aus den bisherigen Fixierungen des Arbeitsmarktes auszubrechen, neue Initiativen zu setzen und ein alternatives Instrumentar zur Bewältigung der Krise der Arbeit zu erstellen. Es ist bedeutsam, daß gerade in der letzten Zeit in verschiedenen Ländern Europas solche Initiativen von den Sozialpartnern versucht werden. Man spricht von einem neuen Bündnis der Arbeit, von begrenzter Lohnforderung und Schaffung neuer Arbeitsplätze, von Flexibilisierung und einem behutsamen zweiten Arbeitsmarkt.

Patentlösungen hat niemand, und übertriebene Erwartungen sind fehl am Platz. Aber eines soll nicht unterschätzt werden: Die Krise der

Arbeit kann nicht durch obrigkeitlichen Befehl aus der Welt geschafft werden. Eine demokratische Lösung braucht den Konsens und die Kreativität der gesellschaftlichen Kräfte. Hier werden Bausteine für einen neuen Gesellschaftsvertrag erstellt. Eines ist allerdings notwendig: ein Bewußtseinswandel und ein Vorschuß an Vertrauen. Glaubwürdige Initiativen sind nur möglich, wenn bei den Sozialpartnern das Machtdenken abgebaut wird und strategische Hintergedanken zurückgestellt werden. Sie sind noch in beachtlichem Ausmaß vorhanden. Aber ohne diesen Bewußtseinswandel scheitert eine selbstverantwortliche Gesellschaft.

Es ist voll berechtigt, daß die einzelnen Staaten und die Sozialpartner alles daran setzen, die Krise der Arbeit in den Griff zu bekommen. Eines darf dabei aber nicht übersehen werden: Aufweite Sicht ist die Krise der Arbeit nur mehr weltweit zu lösen. Und das nicht bloß deshalb, weil es sich um ein Menschenrecht handelt, das für alle gilt. Ein anderer Gesichtspunkt ist ebenso wichtig: Durch die schrittwise Verwirklichung einer funktionierenden Weltwirtschaft mit neuen Märkten werden Voraussetzungen geschaffen, die auf die Wirtschaft der einzelnen Staaten positiv zurückwirken. Darum hat all das, was den Wiederaufbau der Länder Mittel- und Osteuropas und die Hilfe für die Entwicklungsländer betrifft, eine unmittelbare Bedeutung für die Lösung der Krise der Arbeit.

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