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Wie sich die EU bei der Asylpolitik der Verantwortung entledigt

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Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Tunesien zeigt auf, wie kurz der Weg zwischen Realpolitik und Barbarei sein kann. Was man in Brüssel – aus Mangel an „demokratischen Alternativen“ – in Kauf zu nehmen bereit ist.

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Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Tunesien zeigt auf, wie kurz der Weg zwischen Realpolitik und Barbarei sein kann. Was man in Brüssel – aus Mangel an „demokratischen Alternativen“ – in Kauf zu nehmen bereit ist.

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Demonstrative Zufriedenheit: So kann man die Reaktionen der drei EU-Vertreter zusammenfassen, die Mitte Juli mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied eine Absichtserklärung über eine „umfassende strategische Partnerschaft“ unterzeichneten. „Wir haben geliefert“, befand EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen in Tunis. Giorgia Meloni, die italienische Ministerpräsidentin, bilanzierte: „Nach viel diplomatischer Arbeit haben wir ein sehr wichtiges Ziel erreicht.“ Ihr scheidender niederländischer Amtskollege Mark Rutte sprach von einem „Meilenstein“. Enthalten sind Bereiche wie nachhaltige Landwirtschaft, erneuerbare Energie, Wassermanagement, die Teilnahme tunesischer Studenten am Erasmus-Austausch oder Auszubildender an Lernprogrammen in Europa.

Im Kern aber steht zweifellos ein simpler Deal: Das wirtschaftlich schwer angeschlagene Maghreb-Land, Abfahrtsort der meisten Bootsmigranten in Richtung EU, soll ebenjene zurückhalten und erhält dafür aus Brüssel insgesamt rund eine Milliarde Euro. Allein 105 Millionen sollen in Grenzsicherung, Such- und Rettungsaktionen und Rückführung von Migranten in ihre Herkunftsländer fließen – dreimal mehr als bislang.

Die Reform als Prestige-Projekt

Über das Abkommen wurde in identischer personeller Besetzung bereits im Juni verhandelt. Es soll ein Kernstück der neuen EU-Asyl- und Flüchtlingspolitik darstellen. Die nach der Corona-Pandemie stark gestiegenen Ankunftszahlen dienen jenen als Beleg, die vor einem „neuen 2015“ warnen. Im Fokus ist vor allem Italien, das im Frühjahr wegen der Migrantenboote an seinen südlichen Küsten den Notstand ausrief.

Laut UNHCR wurden dort bis zum vergangenen Wochenende über 84.000 Geflüchtete registriert – 80 Prozent der Gesamt-Zahlen von 2022. In vielen Mitgliedsstaaten fordern daher entweder Regierung oder die öffentliche Meinung die Überfahrten drastisch einzuschränken. Die Bootskatastrophen mit vielen tödlichen Opfern – etwa im Februar vor dem italienischen Steccato di Cutro oder zuletzt im Juni nahe der griechischen Hafenstadt Pylos – verstärken den Druck. Strengere Grenzsicherung soll die lebensgefährlichen Bootspassagen verhindern und den Menschenschmugglern, die sie organisieren, das Wasser abgraben: Diese Logik bekräftigten auch Von der Leyen, Meloni und Rutte.

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