Der Himmel — ein Politikum
Über die Sehnsucht nach dem Himmel und Parteien, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen.
Über die Sehnsucht nach dem Himmel und Parteien, die den Menschen das Blaue vom Himmel versprechen.
Glaubens- und Sehnsuchtsinhalte wurden in biblischen Zeiten gern mit Warnungen gesichert. Kaum ist „Christi Himmelfahrt" erledigt, so warnen schon zwei Engel die zurückgebliebene Jüngerschar, sich in den Himmel zu vergaffen. Wehe der Seele, die sich nach ihrer „wahren" Heimat sehnt und sich allzu schnell darauf freut, die Niedrigkeit ihres leiblichen Gefäßes zu verlassen. Wer das irdische Leben für ein Jammertal hält, das gar nicht wert ist, daß man zu viel in es investiert, wird wohl sehr bald eine wachsende Apathie den Leiden und Nöten der Menschen gegenüber zeigen. Und Menschen auf ein besseres Jenseits zu vertrösten, ist immer ein Zeichen christlicher Faulheit und Verantwortungslosigkeit gewesen. Aber Menschen sind eben himmelsgefährdete Wesen, weil sie schon hier eine Art Vorgeschmack erleben. Menschen erleben den Himmel in der Liebe, der Erfahrung des Schwebens, der Verwandlung und Begeisterung, in den Ekstasen. Wer liebt, fährt täglich in den Himmel. Liebe ist das große Freiheitserlebnis. Wird sie deshalb so selten in Schule und Kirche, beim Militär und im Gefängnis, im Altersheim und im Krankenhaus erlebt? Weil diese - ihren öffentlichen Ideologien zum Trotz - latent gewalttätigen Institutionen, um ihre „Ordnungen" Angst haben. Wer den Himmel gekostet hat, weiß meistens auch, wie die Hölle schmeckt.
Menschen erleben den Himmel im Wein und in Pfingsten, in Visionen und Utopien, in Musik und Tanz, in der Kunst, in den Feiertagen. Die Gewerkschaft hat immer um den konkreten Himmel gekämpft.
Menschen sind als Himmelswesen konstruiert und geben ein Leben lang die Suche nach dem Himmel nicht auf. Ein Mensch symbolisiert den Himmel auf Erden.
Kaum etwas ist politisch so brisant wie der „Himmel". Die Leute wählen die Partei, die ihnen den Himmel verspricht, jedenfalls das Blaue vom Himmel. Öder glaubt wirklich jemand, die Pro-EU-Abstimmung sei nur eine Vernunftentscheidung gewesen? Und die Leute verlassen ohne Zögern ihre „Himmelspartei", wenn sie enttäuscht worden sind. Und darum darf man den Himmel nicht den Politikern überlassen.
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