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Vor ihren Augen
Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß Dein eingeborener Sohn, unser Erlöser, am heutigen Tage zum Himmel aufgefahren ist; deshalb bitten wir Dich um die Gnade, daß auch wir mit Herz und Sinn im Himmel wohnen.
(KirclteHgebet vom Fest Christi Hittttuefftthrt)
Seil Jahrhunderten war kaum jemals so viel die Rede vom Himmel wie in den letzten Jahren. Sehen wir ganz ab von den primitiven Blasphemien, die zu den religiösen Feiertagen in Zeitungen des kommunistischen Bereichs erscheinen und deren Pointe in der Meldung eines zurückkehrenden Raumfahrers besteht: „War im Himmel, habe Gott nirgends angetroflen." Gewichtigere und tiefere Denker — Reinhold Schneider in seinem „Winter in Wien’ war nicht der geringste unter ihnen — haben ihren Christenglauben an den „Himmel droben’ mit den Möglichkeiten und Perspektiven des „Menschen im All” konfrontiert. Sie haben es sich nicht so leicht gemacht wie manche schnellfertige Apologeten, die auf den rein geistigen Charakter des christlichen „Himmels" verweisen, als einen ort- und zeitlosen Zustand, den auch der kühnste Raumfahrer nie berühren kann. Ganz so symbolisch verflüchtigt ist die evangelische Botschaft eben doch nichf. Sie schweigt zwar von den menschlich nicht beschreibbaren Zuständen der Seele nach dem Tode. Aber sie zeichnet in Markusevangelium und Apostelgeschichte berichtend und real auf, daß „Er vor ihren Augen emporgehoben war’, daß „Er in den Himmel aufgenommen wurde”. Kein Akt der Verzückung, keine persönliche Ekstase wird hier beschrieben, sondern ein für Menschen zunächst einmal sichtbares Geschehen. Der Auferstandene — kein Geist, sondern ein Mensch, der sich anrühren ließ und mit den Seinen zu Tische saß — wird vor aller Augen zum Christos, zum Herrn auch dieses Äons, der in eine außerirdische Dimension einlritt … keinesfalls aber sich aufiöst und in ein erlösendes Nirvana zurückflufet wie die Tochter des Indra in der brahmani- schen Legende. Kein Traumspiel ist die Himmelfahrt, sondern der Anbruch einer neuen, atles Bisherige umfassenden Realität.
In dieser größeren Christus-Realität sollen wir zu Hause sein und wohnen, wie es im heutigen Festgebet heißt: Nicht im „besseren Jenseits", das uns dereinst für so manches entgangene irdische Vergnügen „siebenfach entschädigen soll, nicht im stillen Winket des Austragsstübchens. Mit Christus sind wir schon jetzt Bürger dieses Himmels geworden, in den uns der Hinübergang des Todes in unserer gesamten seelisch-geistigen Existenz, der Jüngste Tag und der Zerfall des alten, vorläufigen Äons dann auch körperlich eingemeinden wird. Die Auferstehung ist von der Himmelfahrt nicht zu trennen. Der zu Ostern neu gewordene Mensch ist bereits auf die Bahn getreten, die in den Himmel führt, in einen Endzustand der Vollendung, der auch den Kosmos umfassen wird. Er ist Bürger des Kosmos geworden in einem weiteren und endgültigeren Sinn, als ihn die Technik zu geben vermag. Daß wir in diesem Glauben in dieser Sicherheit „zu Hause’ sein, immer mehr und mehr „wohnen" mögen: das erbeten wir am heutigen Tage.
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