6938819-1983_19_08.jpg
Digital In Arbeit

Gottes Wohnung ist mitten unter uns

Werbung
Werbung
Werbung

Die zweifelnde Frage nach dem Wohnort Gottes stammt aus dem Jahr 955 vor der Geburt dessen, auf dessen Himmelfahrt die Christen heute etwas skeptischer blicken. Die Frage wurde vom König Salomo bei der Einweihung des Tempels von Jerusalem gestellt: die Bundeslade, dieser geheimnisvolle Begleiter durch Jahrhunderte, dieser Stoff gewordene Name Gottes, hat einen angemessenen Platz gefunden.

Im gleichen Augenblick aber überfällt den König vor der versammelten Gemeinde auch schon der Zweifel. „Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Him-

mel können dich nicht fassen — wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?” In der Tat: die Geschichte des Volkes Israel mit der zweimaligen Zerstörung des Tempels hat seine Zweifel bestätigt. Gottes Tempel kann fallen — seine Gegenwart fällt nicht mit. , Merkwürdig umgekehrt präsentiert sich uns Christen Salomos Frage am Himmelfahrtstag. Sollte Gott wirklich im Himmel wohnen? Zwar reden wir trotz Kopernikus noch weiter ungeniert von Sonnenaufgang und -Untergang, schauen zum abendlichen Sternenhimmel auf, lassen uns die Schönheit des Mondlichtes nicht durch die trüben Nachrichten von seiner Substanz vergraulen. Wenn es aber um einen räumlich faßbaren Ort, eben den Himmel, als Wohnung Gottes geht, werden wir ebenso empfindlich wie Salomo.

Die neutestamentlichen Berichte von der Himmelfahrt lassen keinen Zweifel daran, daß lediglich unsere Erde ein Ort ist, den man betritt, bewohnt und wieder verläßt. Wer auf Erden weilt, bleibt Erdenbürger, bleibt seinen menschlichen Grenzen unterworfen. Wer allen Menschen zugleich nahe sein will, muß einen Ort außerhalb dieser Grenzen haben, muß sich von ihnen trennen, um ihnen allen gemeinsam nahe sein zu können.

Eben das sagen die Berichte von der Himmelfahrt Jesu bereits sehr deutlich.

Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Salomos Frage ist beantwortet: Er wohnt mit seinem Sohn unter denen, die ihm Wohnung machen, kommt in Wort und Sakrament, läßt sich hören und schmecken und hilft unserem Geist, diesem unruhigen, neugierigen und zweifelnden, durch seinen Heiligen Geist auf.

Himmelfahrt steht zwischen Ostern und Pfingsten. Der Auferstandene lebt in uns, durch uns — sein Ort ist überall dort, wo Menschen bangend oder hoffend nach dem Himmel Ausschau halten. Himmel und Erde sind nicht für die Ewigkeit, ewig sind nur die Zusagen Gottes, daß er bei uns bleibt. Das verbürgen die Worte seines Sohnes, darum ist Himmelfahrt ein fröhliches Fest, darum gilt heute mehr als an jedem anderen Tag des Jahrs, was den Jüngern in jener Stunde gesagt wurde: hingehen, Zeugnis geben — durch unser Wort und unser Leben.

Die Frage nach dem Himmel erweist sich als Ablenkungsmanöver von dem, was an Gaben und Aufgaben hier wartet. Auch das zeichnet der neutestamentliche Bericht schon vor, wenn die Jünger nicht eben sehr sanft angeredet werden: Was steht Ihr da und schaut nach oben?

Hihzu kommt, daß die älteste Evangelienhandschrift eindeutig mit dem Bericht von der Auferstehung Jesu endet: Markus verzichtet völlig auf die Himmelfahrt. „Sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich sehr.” Das ist nicht sehr schmeichelhaft und optimistisch als Ende eines Evangeliums!

Auch der Evangelist Johannes beläßt es bei der summarischen Andeutung: es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Vielleicht gehörte nach der Meinung des Evangelisten auch die Himmelfahrt Jesu dazu — erwähnt hat er sie jedenfalls nicht. Vor einer Überbewertung der Himmelfahrt sind wir also von authentischer Stelle nachdrücklich gewarnt. Passion und Ostern - so unterschiedlich die Evangelisten hierüber berichten, so einig sind sie sich doch über den hohen Rang dieser Ereignisse. Himmelfahrt ist offenbar nur ein Nachsatz zu Ostern.

Freilich, wer als Leser oder Hörer einen Nachsatz nicht zur Kenntnis nimmt, verbaut sich damit leicht den Zugang für den Hauptsatz. Wer das Zeugnis von dem Auferstandenen, das die Gemeinde begründete und beisammenhielt bis zur Stunde, zur Zwecklüge degradiert, wird mit dem Nachsatz noch weniger anfangen können.

Himmelfahrt kann nur von der Auferstehung her gewürdigt und geglaubt werden. Nicht der Ort, sondern der Weg ist entscheidend. Der aber heißt Jesus Christus. Das bezeugt die Gemeinde als ihren Glauben, das enthebt aller fruchtlosen Diskussionen oder gar Beweisversuche. Das macht frei, hinzugehen und Zeugnis zu geben mit unserem Wort und unserem Leben. Weder werden wir dann den Himmel auf Erden schaffen, noch die Nöte der Erde in himmlischen Fernen vergehen lassen können. Wir werden vielmehr bis zum Anbruch eines neuen Himmels und einer neuen Erde an dem Ort, wohin wir gestellt sind, unser Werk tun. Dann ist Gottes Wohnung mitten unter uns.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung