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Die Pfarre der Zukunft

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Die Katholische Hochschuljugend Graz hat anläßlich ihres zwanzigjährigen Bestehens eine Festschrift herausgegeben, in der namhafte Persönlichkeiten zu Problemen der Hochschulgemeinden Stellung nehmen. Die Katholische Hochschuljugend beabsichtigt mit dieser Schrift, die vom Grazer Hochschulseelsorger Dr. Egon Kapellari der Presse vorgestellt wurde, eine Überprüfung ihrer Wirksamkeit in der Kirche, an den Hochschulen und im öffentlichen Leben sowie ein Neubedenken der heutigen Situation. Die Frage nach der unvertretbaren Funktion der katholischen Studenten und ihrer Gemeinden beantwortet sie sich aber nicht selbst, sondern erarbeitet die Antwort im Gespräch mit Menschen, „deren intellektuelle Redlichkeit und Eros des Fragens“ sie ermutigen. Manche der Beiträge werden zum Widerspruch reizen, da sie für eine kritische Jugend geschrieben wurden. Bischof Dr. Schoiswohl schreibt in seinem Geleitwort: „Der katholische Student darf und soll kritisch sein, „seine Kritik ist auch eine Form des sentire cum ecclesia’, wenn sie zugleich einen guten Weg weist.“ Im Folgenden bringen wir den Beitrag von Professor Karl Rahner, der in der Festschrift unter dem Titel „Hochschulgemeinde als gegenwärtiges Modell künftiger Pfarrstrukturen — Anfang einer Überlegung“ erschien.

Ob mit der folgenden Überlegung bin Anfang eines wichtigen Gedankenganges gemacht ist, mag fraglich sein. Aber mir will scheinen, die hier gestellte Frage sei der Überlegung wert. Die Frage lautet: Ist eine heutige Hochschulgemeinde nicht so etwas wie ein erster Versuch, die Gestalt der christlichen Ortskirche von morgen überhaupt zu finden? Diese Frage könnte wichtig sein für die Hochschulgemeinde selbst, darriit sie ihre eigene Wesensgestalt immer besser finde, und für die Ortsgemeinde (konkret: die Pfarrei), damit sie am konkreten, schon im Ver- suohsstadium befindlichen Modell der Hochschulgemeinde erkenne, in welche Richtung die „Evolution“ ihres eigenen „Phänotyps“ sich vermutlich bewegt.

Die künftige Pfarrei wird ja als Pfarrei der Kirche, die nicht mehr einfach „Volkskirche“ sein wird, sondern die Kirche der persönlich Glaubenden in einer „Diaspora“, weniger als bisher der Verwaltungsbezirk einer religiösen Großorganisation („Kirche“ genannt) sein, die (ähnlich wie der Staat) von vornherein und gleichmäßig alle zu erfassen sucht; sie wird die Altangemeiinde der Glaubenden, die „Kommunion“ in Glaube, Hoffnung und Liebe derer sein, die den erlösenden Tod Christi im Kult und im Leben bezeugen; sie wird die Gemeinde der durch personellen Glaübensentschiluß Geeinten, zunächst also in diesem Sinn „Personalpfarred“ sein: sie wird aber schon von daher nicht mehr ganz einfach und selbstverständlich die Gemeinde derer sein, die durch die Bestimmung der Amtskirche auf Grund bloßer Wohnortgleichheit „zusammengefaßt“ werden. Auch bei der Pfarrei der Zukunft (selbst wenn die Wohnortgleichheit noch ein organisatorisches Element in mancher, aber nicht in jeder Hinsicht bleibt) werden sich andere kirchenbildende Elemente deutlicher auswirken: das besondere, kirchenbildende Charisma des jeweiligen Pfarrers, andere Eigentümlichkeiten der jeweiligen Pfarrei, die für eine lebendige und stabile Altargemeinde in Frage kommen. Wenn die Ortspfarrei der Zukunft nicht zum bloßen Verwaltungssprengel für Verwaltungsauf - gaben (Führung der Taufmatrikeln usw.) herabsdnken soll, was ihr gewiß niemand wünschen soll, dann wird sie den Mut und die Kraft haben müssen, selbst neben dem territorialen Prinzip Eigentümlichkeiten einer „Personalpfarrei“ zu verwirklichen, in der andere profane und religiöse kirchenbdldende Elemente gleich ursprünglich (wie das „territoriale Prinzip“) und nicht nur sekundär zur Auswirkung kommen, selbst wenn dadurch das Wohnort- prinzip nicht „rein“ zur Geltung kommt. Diese Pfarrei darf aber gleichzeitig nicht die Sektengemeinde werden, das warme „Nest“, in dem sich die sonst im Leben zu kurz Gekommenen im Windschatten der profanen Welt verstecken. Sie darf sich nicht abkapseln, sie kann zwar nicht mehr so sehr Sprengel der Volkskirche bleiben, muß aber erst recht missionarische Gemeinde werden, die offen ist zur Welt und allen denen, die „draußen sind“. Kann für eine solche Pfarrei der Zukunft eine richtige Hochschulgemeinde nicht Vorbild sein, vorausgesetzt, daß sie ist, was sie sein soll? In einer solchen ist ja deutlich, daß ihr „Pfarrer“ nicht in einer Pfarrei eingesetzt wird, sondern sie selber bilden muß, nicht bloß durch das kirchliche Amt (das dann leicht mit bürokratischer Amtszuständigkeit verwechselt wird), sondern auch durch das Charisma einer religiösen Persönlichkeit, die Gemeinde schafft und nicht nur verwaltet. Eine Hochschulgemeinde muß immer neu werden, weil ihre Mitglieder rasch wechseln (während eine Pfarrei trotz der heutigen Bevölkerungsfluktuation immer noch zu leicht versucht ist, sich auf die „Seßhaftigkeit“ der Pfarr-

amgehörtigen zu verlassen). Eine Hochschulgemeinde muß etwas „bieten“, was über die Möglichkeit der Erfüllung standardisierter „religiöser Pflichten“ und individueller religiöser Bedürfnisse hdnausgeht (was heute auch für die Pfarrei nicht mehr genügt, wenn die nächste Kirche genauso leicht zu erreichen ist wie die „eigene Pfarrkirche“).

Ubungsgelände für die Zukunft

Eine Hochschulgemeinde muß einen lebendigen, festen Kern haben und muß auch offen sein zu allen Studenten und darf keine festen Grenzen haben, hat heute schon ein unbefangenes Verhältnis zu den „Sympathisanten“, während oft zu einer Pfarrei zu bürokratisch „alle“ gehören oder eben praktisch doch nur die eifrigen Praktikanten, so daß „die anderen“ nur die „Abständigen“ sind. Eine Studentengemednde holt sich wie von selbst Kräfte „von außen“ zur Hilfe (Prediger, Vortragende, Fachleute usw.), während eine Pfarrei noch zu oft „autark“ sein will.

Eine Hochschulgemeinde muß sich, soll sie lebendig sein, in kleinere

Gruppen gliedern, ohne ihre Einheit zu verlieren, Gruppen, die andere Strukturprinzipien haben als die „Naturstände“, die heute nicht mehr recht als Gestaitunigsprinzdpien in Frage kommen (während eine Pfarrei heute noch oft amorph ist oder nach „Naturständen“ gegliedert wird). Eine Hochschulgemeinde ist nicht in Gefahr, auf die Seelsorge bloß der Kinder und der Heranwachsenden auszuweichen (weil mit den Erwachsenen, bevor sie alt und müde geworden sind, doch „nichts anzufangen iist“). Eine Hochschulgemeinde ist heute vielleicht das beste Übungsgelände für eine Christengemeinde der Zukunft, die weder sich auf die „Kirche“ beschränkt, noch alles Weltliche in Eigenregie in sich zu integrieren versucht. In einer Hochschulgemeinde läßt sich vielleicht am besten erproben und ein- üben, wie der Laie von morgen in der Kirche aktiv werden kann (nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit deutlich fixierten Rechten) und ein brüderlich vertrauensvolles Verhältnis zum Klerus gewinnt.

Das alles ist sehr ins Unreine gesagt. Aber man sollte dieser gestellten Frage nachdenken. Pfarrei und HochschuLgemeinide könnten aus der Antwort auf eine Frage lernen, die hier nur gesteht, nicht aber beantwortet ist.

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